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7 Lektionen aus einem Fotografen-Leben

Humor, Wissen und Momente der Schwäche …

Seit 48 Jahren bereist Jimmy Nelson die Welt und seit 31 Jahren hält er das Gesehene auch fotografisch fest. Wenn nun jemand so viel unterwegs ist, hat er ja bekanntlich auch einiges zu erzählen. Hier sieben Begebenheiten von einem enthusiastisch berichtenden Fotografen, zusammengestellt in einem bildreichen Video von :

 

Wie unschwer zu erkennen, gehört die eher ursprüngliche und natürliche Lebensweise zu Nelsons Hauptmotiven und so steht dann auch die Kontaktpflege mit bzw. der Kontaktaufbau zu den jeweiligen Stämmen im Mittelpunkt seiner Ausführungen:

In der Mongolei brach er das Eis zu den Einheimischen, nachdem er eine der furchtbarsten Nächte seines Lebens verbracht hatte: Betrunken vom hiesigen Wodka erleichterte sich der Fotograf nicht nur auf seiner Hose, sondern „begoss“ sozusagen das gesamte Zelt. Niemand bekam davon etwas mit, bis die umstehenden Rentiere das Zelt am darauffolgenden Morgen fröhlich überrannten und zertrampelten. Was Nelson nicht wusste: Die Tiere stehen auf Urin und werden davon förmlich angezogen. Zunächst wurde er angeschrien und beschimpft, doch schon bald verwandelte sich dieses Zetern in ein lautes, gemeinschaftliches Lachen. Ein Eisbruch per Humor, aus dem sich schließlich echte Beziehungen ergaben.

In Äthiopien scheiterte Nelson, kurz bevor er sein Bild im Kasten hatte: Dutzende Einheimische wollte er vor einem Baum ablichten, doch dann brachen plötzlich wilde Streitigkeiten aus. Der Grund: Der Fotograf hatte einen Jungen zwischen zwei Mädchen positioniert, die wohl beide Interesse an diesem zeigten. In Folge verbrachte Nelson den gesamten nächsten Tag ausschließlich mit Recherche: Wer ist wer? Wer steht mit wem in welcher Beziehung? Und wen setzt man beim Shooting also lieber nicht nebeneinander? Mit diesem Wissen gelang schließlich auch das Foto.

Wieder zurück in der Mongolei: Es ist kalt, doch Nelson zieht sich die Handschuhe aus, um zu fotografieren, und bleibt mit seinen Händen aufgrund der Kälte an der Kamera kleben. Mit etwas Gewalt reißt er sich den Apparat von der Haut, es blutet und der Fotograf erlebt einen kleinen Kollaps. Kurz darauf kommen zwei Frauen zu ihm, legen die Hand auf seine Brust und umarmen ihn. Kontakt im Moment der Schwäche, der für Nelson noch besonderer wird, als er Minuten später begreift, dass in diesen Sekunden gar Grenzen gesprengt wurden – die von Vorurteilen und vorschnellen Beurteilungen.

In Papua-Neuguinea begab sich Nelson wochenlang auf die Knie, um den dortigen Wigmans das Gefühl von Stolz zu vermitteln. Es gelang ihm mit viel Geduld, das Vertrauen der Männer mit den gelb bemalten Gesichtern und den Perücken aus Haar und Vogelfedern zu gewinnen. Schließlich begleiteten sie ihn auf einem beschwerlichen Weg in den Dschungel und hin zu der auserkorenen Shooting-Location, einem Wasserfall. „Sie wissen nicht, wie man ein Foto aufnimmt, sie verstehen nichts von Licht, aber sie begriffen: Es ging um Stolz.“ Zwei Tage warteten Fotograf und Wigmans auf das richtige Licht, bis sich das gewünschte Bild ergab.

Dann ist da noch diese Rückenansicht von drei Kriegern, die doch eher ziemlich weiblich wirken. „Aber das sind doch Frauen“, meint die Tochter des Fotografen. „Nein“, entgegnet dieser. „Das sind Männer und die können Löwen mit ihren bloßen Händen töten.“ Wie sie das bewerkstelligen könnten, wenn sie sich doch so sehr um ihr Aussehen bemühten, fragt die Tochter. Die Antwort des Fotografen: „Sie sind in Balance – mit ihrer Tradition, ihrer Kultur und ihren Möglichkeiten.“ – Die Lektion für den Fotografen: „Beurteile nicht! Schau über das Offensichtliche hinaus!“, denn oft sei die Wahrheit eine komplett andere als die, die uns unser Auge zunächst weismachen möchte.

 

In Namibia besuchte der Fotograf wiederholt einen Stamm und musste bei einem seiner Besuche feststellen, dass der Zaun, den das Dorf umgab, verschwunden war. Auf die Frage nach dem Warum wurde ihm geantwortet: „Weil unser Häuptling gestorben ist.“ – „Was hat denn bitteschön das eine mit dem anderen zu tun?“ – „Wir machen das immer, wenn wichtige Personen sterben. Wir zerstören etwas, was von ihnen erbaut wurde. Und in dieser Zerstörung kommen wir als Gemeinschaft zusammen, um uns an das zu erinnern, was sie waren. Dann bauen wir es wieder auf, besser und größer als zuvor, aus Respekt zu den Verstorbenen.“

Zum Abschluss des Videos stellt Nelson dann fest: Bevor man hinausgehe, um zu fotografieren, solle man sich darüber im Klaren sein, wer man selbst ist. Selbstreflexion – das Ich im Auge der anderen. Und auch dazu werden wunderschöne Fotos gezeigt …

Mehr zu Jimmy Nelson findet ihr auf seiner Website, seinem Facebook-, Twitter- und Instagram-Account.

 

Euer Jens

Bildquelle Titel und Vorschau: Screenshot aus dem Video "7 Lessons I Learnt From Photography (feat. Jimmy Nelson) von

 

7 Lektionen aus einem Fotografen-Leben

liselotte

Bärliner Jung

Wow cool lessonBeeindruckende Bilder und auch mit spärlichen Englisch Kenntnissen verständlich.(für Details gab's ja Jens)Danke
 

Rata

Ein wertvoller Link zu Erkenntnissen eines noch werthaltigen (!) Photographen, dessen Arbeit ich schon so lange bewundere.Er hat wirklich was zu sagen.Danke Jens.Lieber GrußRata
 

Merline

Nebel am See, Sonne im Herzen

Ein wunderschöner Beitrag, vielen Dank für's Zeigen!Jimmy Nelsons Botschaft erinnert mich an die vielen Menschen, die heutzutage einfach nur noch auf den Auslöser drücken und dabei ihre Mitmenschen zum reinen Objekt oder Fotohintergrund reduzieren - ohne Respekt, ohne Einfühlungsvermögen, ohne Nachdenken. Besonders bei den allgegenwärtigen Handyfotografierern frage ich mich sehr oft, ob sie wirklich wahrnehmen, was sie fotografieren? Ob sie überhaupt noch etwas anderes sehen als sich selbst?Keep on shooting - with respect.
 
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