AW: Frage zum Urheberrecht
Wenn etwas urheberrechtlich geschützt ist, dann weil es im entsprechenden Gesetz erfasst ist. Für Deine Frage maßgeblich sind folgende Teile:
- "... Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz ..." - keine Einschränkung zwischen Werken und Auszügen sondern: "für ihre Werke" - also alles, auch Teile.
- "Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: [...] Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen" - irgendwo hier dürften die Metrikdaten von Fonts hingehören.
Kurz gesagt: Der Gesetzgeber will, dass alle kreativen geistigen Anstrengungen rechtlich dem Denker gehören. Für Deine konkrete Frage: Ein Font ist geschützt, alle Elemente/Zeichen eines Fonts sind geschützt, selbst alle i-Pünktchen, solange irgendeine kreative Ausprägung eines anderen Menschen darin erkennbar ist. Der Gesetzgeber nennt hier keine Einschränktricks" wie "wenn ich Zeichen aus Fonts rausnehme" (also nein), "wenn ich nur eine Seite eines Buches einscanne" (auch nein), "wenn es aber nur eine Strophe ist" (... ebenfalls nein) etc.
Polemisch gesagt: ein bisschen ist die Frage wie: Man darf keine Dinge klauen. Darf ich denn wenigstens Einzelteile von Dingen wegnehmen? In der physischen Welt klingt die Frage vermutlich albern - man darf vom fremden Auto weder das ganze Auto noch nur die Spiegel klauen.
In der digitalen Welt gilt nichts anderes: Wenn Du weißt, Du ziehst gerade aus einem anderen Werk etwas heraus (z.B. "in Pfade umwandeln"), ist eigentlich damit schon klar, dass Du es - digital - veruntreust.
Was geht:
- Mach Dein eigenes Werk: Laß Dich vom anderen Werk ruhig inspirieren. Zeichne aber Deine eigenen Fontelemente. Du wirst eigene Abweichungen haben, die es zu Deinem eigenen Werk machen. Abkopieren, Screenshooten, Tracen etc. - alle automatischen Verfahren sind - juristisch - nicht ok. Ein andere Frage ist, ob jemand das entdeckt, wenn Du noch genug Veränderungen vornimmst. Deine Frage war aber die juristische und nicht, wie man ein bedenkliches Vorgehen wieder vertuscht. Praktisch kann ein guter Grafiker so einen Geburtsfehler vermutlich wieder unkenntlich überflicken - anderseits wird ein guter Grafiker den Geburtsfehler durch Eigenkreation per se vermeiden.
Vorsicht in diesem Zusammenhang mit Test-Daten: Jeder Geokarten-Anbieter hat Straßen, Formen, Hausnummer etc. in seinen Karten, die nicht existieren. Sinn: Bei einer solchen Veruntreuung schnell nachzuweisen, dass es sich um eine Übernahme aus den eigenen Materialen handelt die zufällig nicht genauso entstanden sein können. Dasselbe macht man bei Adressdaten, Telefonbüchern (obwohl da die Urheberfrage schon schwerer fällt) etc. Zurück zu Fonts: da fällt einem sicher recht schnell ein Algorithmus ein, mit dem ich anhand weniger Winkel und Längen relativ sicher nachweisen könnte, dass ein Zeichen des Font B durch automatische Übernahme von Metrikdaten aus Font A gemacht wurde. Selbst beim Screenshot würde das korrekt erkennen.
Das wird schon deutlich schwerer, wenn Du - wie oben geschrieben - selbst inspiriert zeichnest und Abweichungen natürlich bewusst bestehen läßt.
- In bestimmten Bereichen, kann man geschützte Elemente nehmen, um sie weiterzuentwickeln. In der Kunst kann man z.B. Logos verfremdet verwenden, um Satire auszudrücken. Der Ursprung muss einerseits erkennbar sein, damit der Witz sich erschließt aber hochgradig kreativ verändert, damit glaubhaft ein eigenes Werk vorliegt.
Ein schmaler Grad, den ein bekannter Satiriker vielleicht beschreiten könnte. Sagen wir irgendwas aus einer Mercedes-Reklame. Würde hingegen BMW die Reklame des Konkurrenten nehmen und einfach die Aussagen mit einem "nicht" ergänzen", würde das ziemlich sicher kein Richter als Satire anerkennen sondern eben als unlauteren Wettbewerb. BMW ist eben ein Konkurrent und kein Satiriker.
- Werke nehmen, deren Urheberrecht erlöschen ist.
- Werke nehmen, die von den Urhebern per se eindeutig und für alle Anwendungen (mindestens aber für die geplante) wirklich freigegeben sind - explizit, in Textform (nicht der Behauptung Dritter nach, nicht der Vermutung nach ("steht nicht genau da" - denn "nicht genau da stehen" ist grundsätzlich gleichbedeutend mit "NEIN")
Streng - aber so sind aktuell die Regeln.
Wichtig: Das ist nur meine Meinung und in keinem Falle eine Rechtsberatung in irgendeiner Hinsicht.