AW: Nebendiskussion: Designer vs. Künstler
Die Fotografen sind da auch nicht besser dran. Jeder ist heute "Fotograf" und "Gestalter" und "Webdesigner", seit uns die Segnungen der Technik das herumpröbeln von Ungelernten (schlimmer noch, von Unbegabten) am Computer beschert haben. Es gibt auch Quereinsteiger, die gut sind, sich mit der Materie beschäftigen und manchmal sogar besser sind als Leute mit Ausbildung - das will ich nicht in Abrede stellen - aber das ist m.E. eine ganz kleine Minderheit.
Der Kern des Problems liegt aber nach meiner Meinung bei den Kunden, die keine Augen mehr im Kopf haben, um zu sehen. Man wird heute so zugeworfen mit Werbung, Bildern, Filmen, Zeitungsbeilagen, Werbesspots usw., dass die meisten Kunden etwas gut gestaltetes gar nicht mehr erkennen und zu schätzen wissen. Ich denke, die Kunden mit gutem Geschmack lassen sich keine mittelmäßigen oder "unterirdischen" Layouts, Bilder oder Webseiten andrehen - nur diese Menschen gibt es immer weniger. "Das reicht uns so" ist der Satz, den ich oft höre, wenn Kunden ihre Fotos von Amateuren machen lassen. Damit ist doch alles gesagt.
Dem kann ich nur beipflichten!
Da sind wir wieder an dem Punkt angekommen, dass es viele Kunden gibt, die es nicht bewerten können und genau deswegen zu Profis gehen, weil sie von denen erwarten, dass die wissen, was sie tun. Geraten sie dann an besagte Spezies, kommt Segen und Fluch des Computers voll zum Tragen. Die Kombination aus Unfähigkeit gepaart mit unprofessioneller Einstellung, z.B. ein Logo mal so nebenbei zusammen zu schrotten oder, noch besser, mit minimalen Änderungen später noch jemand anderem an zu drehen, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Tja, und nicht wenige Anbieter, die sich Profis nennen, nur weil sie einen offiziellen Abschluß haben und Geld mit ihrer Arbeit verdienen, leben genau von dieser Unkenntnis. Der viele allenfalls als semiprofessionell zu bezeichnende Krams, der einem jeden Tag überall in der Medienwelt begegnet, zeugt davon, dass Profis noch lange nicht professionell sein müssen, bestenfalls sind sie es vielleicht. Und oft gilt halt auch der Grundsatz: "You get what you pay for", in Zeiten der Unkenntnis, Geiz ist geil und "boah, so teuer ist sowas?" muß man halt auch damit rechnen, dass so manche Agentur eben genau das Niveau abliefert, was gefordert wird, nicht selten ist das der einzige Weg sich auf dem Markt zu behaupten und mit weniger hochwertiger Ware eine bezahlbare Nische zu füllen und oft genug kann auch gar nichts höherwertiges produziert werden. Es ist heutzutage nicht schwer zu studieren, und auch nicht einen Abschluß irgendwo in irgendetwas zu machen und ich kenne zuviele Menschen, die hobbymäßig auf einem Niveau arbeiten, das viele prof. tätige und gelernte Anbieter selbst unter aller Bemühung nicht zustande bringen können. Ich mag daher die Unterteilung von "Profi" und "möchtegern-Profi, der eigentlich nur ein ambitionierter Laie ist", nicht besonders...
Design als Dienstleistung, was soll man davon halten? Eingezwängt durch Vorgaben, Regeln, Normen und Mainstreamanspruch bleibt für echte Kreativität nur wenig Platz. Künstler in Agenturen haben es sehr schwer, müssen sie sich doch auf ein allgemeinverträgliches Niveau begeben und Talent und Kreativität den Ansprüchen einer Dienstleistung unterordnen. Dabei ist es doch gerade das Außergewöhnliche, das Neue, das Innovative an einer Sache, was so viele sich wünschen. Leider schaffen es nur wenige Künstler auch im Geschäft erfolgreich zu sein. Dann aber meistens so richtig, Stararchitekten, Stardesigner, Starfriseure usw. lassen sich dann feiern und alle sind restlos begeistert und sind plötzlich bereit, fast jeden Preis zu bezahlen, um dem klassischen professionellen Dienstleistungsniveau entgehen zu können. Plötzlich wird der Mut zur Lücke belohnt, das Mißachten von Regeln und Normen gelobt und ein neuer Stil ist vielleicht geboren, und schon stürzen sich die Dienstleister genau auf das, was vielleicht bisher auf taube Ohren gestoßen ist, als der hauseigene Künstler genau dieselbe Idee präsentiert hat.
Manchmal bestraft man sich auch nur selbst, wenn man Normen, Vorgaben und Regeln zuviel Raum gibt und anderes nicht zuläßt oder als unprofessionell bezeichnet. Das mußten auch schon einige sehr von sich selbst überzeugte Agenturen bitter lernen.
Ich übertreibe hier ganz bewußt ein wenig, die meisten Agenturen leisten sehr gute Arbeit auf sehr hohem Niveau und werden ihren eigenen Ansprüchen durchaus gerecht und verdienen sich ihren Status und die Berufsbezeichnung redlich, keine Frage. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille. Sehr viele Designs sind schon heute von Laien, Newbies und Amateuren ins Leben gerufen worden, und das Niveau ist z.T. sehr beachtlich, z.T. aber auch unterirdisch und meist irgendwo dazwischen und sollte daher nicht pauschal als bestenfalls zweitklassig betrachtet werden.
Wenn ich sehe, was einem heutzutage manchmal als innovatives professionelles Design von Profis angeboten und verkauft wird...
Nur so ein paar Gedanken zu unserer schönen heilen Designer-Welt...
VG
Frank