Der World Press Photo Contest, mit dem alljährlich fotojournalistische Beiträge ausgezeichnet werden, darf durchaus als renommiert bezeichnet werden. Im Jahre 2015 jedoch wurde der Wettbewerb durch eine Kontroverse getrübt: 22 Einreichungen, darunter ein Gesamtsieger, wurden im Nachgang disqualifiziert. Der Grund – die Fotos waren manipuliert. In der Folge wurden die Regeln des Contests noch einmal verschärft.
Mit diesem Ausflug setzt die Veröffentlichung einer Gruppe von Wissenschaftlern unter Projektleitung von Sophie Nightingale an (Abteilung Psychologie der Warwick University in England), in der gefragt wird: Können Menschen, und damit sind hauptsächlich Nicht-Profi-Fotografen gemeint, erkennen, ob Fotos manipuliert wurden? Und können sie in bearbeiteten Fotos die manipulierten Stellen ausfindig machen?
In der durchgeführten Studie wurden 659 Personen im Alter zwischen 13 und 70 Jahren zehn verschiedene Fotos vorgelegt, die relativ alltägliche Szenen wie zum Beispiel einen Mann auf einer Straße zeigen. Die Hälfte der Fotos waren Originalaufnahmen, die andere Hälfte wurde manipuliert.
Die vorgenommenen Bildbearbeitungen reichten von sanften Eingriffen wie zum Beispiel dem Weißen der Zähne über das Hinzufügen oder Entfernen von Motivbestandteilen bis hin zu physikalisch eigentlich unmöglichen Darstellungen wie zum Beispiel einem abgeänderten und damit falschen Winkel des Schattenwurfs von Objekten.
Die erste Frage an die Probanden gestaltete sich sodann relativ einfach: „Glaubst du, diese Fotografie wurde digital bearbeitet?“ – Das Ergebnis: Nur 58 Prozent der unbearbeiteten Aufnahmen wurden als solche erkannt und nur 65 Prozent der bearbeiteten Fotos wurden als manipuliert identifiziert. Bedeutet im Umkehrschluss: Ein Drittel der manipulierten Bilder wurde für unbearbeitete Originale gehalten.
Anschließend wurden die Probanden gefragt, ob sie in allen bearbeiteten Bildern jeweils jene Stelle ausmachen können, die verändert wurde. In 56 % der Fälle gelang es, die Manipulation zu lokalisieren. Dabei habe weniger eine Rolle gespielt, ob die Bearbeitung physikalisch sinnvoll war oder nicht, sondern vielmehr, wie groß der manipulierte Bildanteil ausfiel – je größer, umso besser wurden die Manipulationen erkannt. Alter und Geschlecht der Personen haben der Studie zufolge keinen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse.
Die kommentierende Schlussfolgerung der Projektleiterin lautet in etwa wie folgt: „Wenn Menschen Zeitungen oder Magazine betrachten oder ins Internet gehen, so treffen sie auf allerhand manipulierte Bilder. Unsere Studie hat allerdings gezeigt, dass sie kaum zwischen Echtem und Bearbeitetem unterscheiden können.“ Die Herausforderung sei nun, Wege zu finden, damit Menschen genau diese Aufgabe besser bewältigen können. „Zum Beispiel enthalten manipulierte Bilder oftmals verräterische Zeichen, die darauf hinweisen, dass sie bearbeitet wurden.“ – Mit anderen Worten: Mehr Medienkompetenz ist wohl das, was da gefordert wird.
Die Ergebnisse wurden in „Cognitive Research: Principles and Implications“ veröffentlicht. Co-Autoren sind Kimberley A. Wade und Derrick G. Watson.
Darüber hinaus kann man an dieser Stelle auch den Selbstversuch wagen. Auf der Seite lassen sich die durchgeführten Experimente nachvollziehen. Die gesammelten Daten werden anonym erhoben. Möchte man eine Angabe (wie z. B. das Alter) nicht machen, gibt es dafür stets eine Option.
Ansonsten wird noch gefragt, was man wohl glaube, wie viel Prozent der Fotografien, denen man täglich begegnet, manipuliert sind, und wie oft man selbst ein Foto aufnimmt. Dann folgt ein kurzes Video zur Bildbearbeitung, anschließend der Test.
An die Fotos solle man bei Bedarf per Strg und + heranzoomen. Es gibt jeweils drei Antwortmöglichkeiten: „Ja, das Bild wurde manipuliert, und ich sehe, wo die Änderung vorgenommen wurde.“ / „Ja, das Bild wurde manipuliert, aber ich kann nicht genau ausmachen, wo es bearbeitet wurde.“ / „Nein, das Bild wurde nicht manipuliert.“
Nach jedem Bild muss man noch in Prozent angeben, wie sicher man sich mit der Antwort war. Dann darf man noch ein Feld auswählen, in dem man die Manipulation vermutet (auch wenn man zuvor angegeben hat, dass keine Bildbearbeitung stattgefunden hat). Am Ende erfolgt eine Auswertung.
Euer Jens
Bildquelle Vorschau und Titel: Pixabay