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„The Photographer“

Leila Stern

Miss Verständnis

Da der Großteil der in diesem lesenswerten Forum veröffentlichten Beiträge von optischen bzw. visuellen Themata handelt, bin ich zum Schluß gekommen, zur Ablenkung auf einen hörenswerten akustischen Beitrag hinzuweisen.

Als einer meiner Bekannten erkrankte, holte ich bei ihm daheim einen Schlüsselbund ab und fuhr mit seinem Lieferwagen von Basel zum Flughafen Zürich-Kloten, um dort die per Frachtflugzeug angelieferten Blumenkarton in Empfang zu nehmen. Meine Wegzehrung bestand aus zwei belegten Brotschnitten, einer Thermoskanne Kaffee und einer Packung Zigaretten. Das von Bogotá herangeflogene Flugzeug hatte zwei Stunden Verspätung, so daß ich meine ‚Blumentour‘ erst nach Einbruch der Dunkelheit beginnen konnte. Also fuhr ich durch die Nacht, um die auf einem Blatt Papier aufgezeichneten Blumengeschäfte und Blumenbörsen zu beliefern.

In Genf verlor ich die Orientierung. Deshalb bat ich einen Taxichauffeur, mir voraus zu einer Gärtnerei zu fahren. Dort wurde ich mit Worten beschimpft, die ich hier nicht wiedergebe.

Während der Heimfahrt bat mich der Disponent eines Blumenhändlers telephonisch, noch die Ostschweizer Tour zu übernehmen, da ein Chauffeur verunfallt sei. „Bedenke“, gemahnte er mich, „morgen ist Muttertag!“ – Ich willigte ein und absolvierte auch diese Tour, erlitt jedoch, endlich wieder daheim angelangt, einen körperlichen und geistigen Zusammenbruch, welcher bis anhin nur durch diese ab Kompaktkassette unaufhörlich gehörte Musik hinausgezögert wurde.

Gruß von Leila ;)
 
Sehr spezielle Musik. Aber sie erzählt eine Geschichte. Vielleicht für Jeden eine andere, aber eine die sich fühlen lässt, wenn man sich darauf einlässt.
Ich hoffe, dass es dir wieder besser geht und du diese Tour abhaken kannst.
Danke fürs Teilen deiner Geschichte.
 
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Cobblepot

Brustimplantate-Betrüger

PSD Beta Team
Bei mir ist das eher der Soundtrack zur Untermalung des körperlichen und geistigen Zusammenbruchs.
In meinem Kopfkino sehe ich Stummfilme mit Tortenschlachten und Scharly Schaplin, verfolgt von tausend Polizisten durch Straßen rennen…
Gut zum Arbeiten…! :nick:
 

Leila Stern

Miss Verständnis

Es freut mich, daß etlichen Lesern meine Kurzgeschichte gefallen hat.

Im Prinzip verfaßte, kürzte und änderte ich sie so, wie ein Photograph während den 1970er-Jahren seine Photographien erstellte und im Badezimmer seines Elternhauses entwickelte. – Daß ich mit der technologischen Entwicklung der Photographie nicht schritthalten konnte, führe ich auf wirtschaftliche und familiäre Erfordernisse zurück, die ich zugunsten meiner Nachkommen und zu meinem Nachteil erfüllen wollte.

Ach, ich beneide die heutigen Photographen um die ihnen gegebenen Möglichkeiten der Bildbearbeitung! Sie können am Computermonitor mit geringem finanziellen Aufwand nach Belieben die von ihnen erstellten Photographien ändern; d.h. den Kontrast, die Farbsättigung, die Helligkeit und vieles andere mehr. Ja, selbst Bildteile, die sie als störend empfinden, können sie dank ausgeklügelter Algorithmen ‚wegstempeln‘.

Daß ich auch mit den von mir veröffentlichten Kurzgeschichten ähnlich verfahre, zeige ich folglich an:

Der erwähnte Lieferwagen war ein Sattelschlepper.

Um aus der Kurzgeschichte keine lange Geschichte zu machen, ließ ich die Tatsache weg, daß ich als Kaufmannstochter mit den damaligen Zollformalitäten betraut war.

In Lausanne lud ich einen Karton Rosen zuwenig ab.

Der (leider verstorbene) Taxichauffeur in Genf mutmaßte, daß ich – wie er – persischer Herkunft sei. Da ich ihm dies bestätigte, verwickelte er mich in ein langes Gespräch. Daher rührte meine Verspätung.

Vor der erwähnten „Ostschweizer Tour“ mußte ich auf einem Parkplatz bei der Umladung der restlichen an private Empfänger adressierten Blumenladung behilflich sein, also die Blumenkarton mit den Nummern „3, 2, 1 …“ in der Reihenfolge „1, 2, 3 …“ auf den Asphalt legen, um sie wieder in der Reihenfolge „3, 2, 1 …“ aufzuladen, was mich viel Kraft kostete: denn ich bin von Natur aus physisch eher schwach und schlank als stark und stämmig veranlagt.

Was mich damals beeindruckte, war das Aufleuchten der Tasten den Mobiltelephons. „Wo befindest Du Dich jetzt“, fragte mich ein Disponent. „Unterwegs nach Basel“, antwortete ich ihm.

Während der Heimfahrt dünkte mich, der Pannenstreifen sei eine Wand. Um sie nicht zu streifen, wich ich instinktiv nach links aus. Dies bewirkte beinahe ein Verkehrschaos. – Deshalb wurde ich wieder hellwach.

Die zweite Brotschnitte roch nach Dieseltreibstoff.

Zuhause angelangt, warf ich mich – mitsamt den Schuhen und Kleidern, in denen ich während meinen beiden ‚Blumentouren‘ steckte – aufs Bett, ohne vorher meine Behausung abgeschlossen zu haben.

Eine um mich besorgte Nachbarin erweckte mich wieder zum Leben.
 
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