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Wieso tut ihr mir das an? - 3

Oder besser gesagt: Warum tut ihr das dem armen Jochen an?

Denn diese Woche musste nicht mein Mann leiden, sondern unser Drucker.

Heute geht es um die Druckprozesse, worauf der Kunde bei einer Bestellung achten sollte und welche Umstände ein Auftrag machen kann. Viel Spaß beim Lesen:

Wieso_tut_ihr_mir_das_an(2).jpg

Diesmal hat es nicht mich erwischt, sondern unseren Drucker, ich nenne ihn einfach mal Jochen. Also eigentlich heißt er Rainer, aber aus Gründen der Anonymität nennen wir ihn halt Jochen. Jedenfalls hatte Jochen einen Auftrag von einer Designagentur für eine Designagentur. Es ging um Visitenkarten.

Visitenkarten kann man ja auch in Onlinedruckereien günstig bekommen, aber gerade Designagenturen und Firmen, die etwas von sich halten, haben eine Hausfarbe, oder vielleicht sogar mehrere. Wenn man diese jetzt in Onlinedruckereien machen lässt,  wird diese Farbe mit den Standardfarben CMYK aufgerastert. Also mit Cyan (C), Magenta (M), Yellow (Y) und Schwarz (K). Schwarz wird mit K bezeichnet, weil Schwarz für Kontrast steht. Wenn man C, M, und Y übereinander druckt, kommt dabei eigentlich schwarz raus, das heißt theoretisch würden die drei Farben ausreichen, dann wirkt das aber alles ein wenig blass, deshalb nimmt man noch schwarz für den Kontrast.

Jedenfalls werden in Onlinedruckereien meist nur diese 4 Farben verdruckt. Wenn man jetzt meinetwegen ein Orange hat, dann besteht dies aus kleinen gelben Punkten (Y) und kleinen Punkten, die magentafarben sind (M). Das menschliche Auge nimmt dann ein Orange war. Und je nachdem wie hell oder dunkel das Orange ist, scheint entweder das Weiß vom Papier zwischen den Punkten durch oder aber es werden noch Schwarze Punkte (K) mit rein gerastert. Vom Prinzip her funktioniert das, sieht aber nicht so toll aus, wie die etwas teurere Variante: nämlich Schmuckfarben. Hier verdruckt man eben direkt das Orange, was der Kunde haben will. Zum Beispiel eine HKS 7. Ein sehr schönes Orange. HKS- und Pantone-Fächer solltet ihr ja alle kennen. Wenn man also nun direkt diese HKS-Farben druckt, dann druckt man diese zumeist als Vollfläche. Die Farben werden nicht aufgerastert und deswegen erreicht man dadurch einen richtig schönen, kräftig leuchtenden Farbton. Das sieht also sehr viel besser aus. Allerdings ist das auch um einiges aufwendiger, denn meistens hat man in der Druckmaschine ja CMYK in den Farbkästen. Die Farben muss man also dementsprechend raus waschen und die HKS-Farben rein löffeln. Das dauert eine Weile: Zuerst löffelt man die Farben aus den Farbkästen, die muss man anschließend sauber schrubben. Danach wäscht man die Walzen. Aber meistens reicht einmal waschen nicht aus. Wenn man zum Beispiel in ein Farbwerk, in dem blau war, ein Gelb hinein nehmen muss, reicht einmal waschen nicht aus. Auf den Walzen werden blaue Farbpigmente zurückbleiben und aus dem Gelb wird früher oder später ein Ocker. Deshalb haut man da nochmal Walzenwaschpaste auf die Walzen und wäscht nochmal. Dies wiederholt man 3 bis 4 mal.  Also recht aufwendig.

Kommen wir zu Rainer ... äh ... Jochen: Er sollte Visitenkarten für die Designagentur drucken. Es waren 3 Schmuckfarben (zweimal ein Pantone-Orange und ein Pantone-Gelb) und Schwarz. Also sehr viel waschen. Geschätzte Zeit ca. 1 Stunde - vielleicht etwas länger. Die Farben waren vollflächig auf die Rückseite der Visitenkarte gedruckt in einem Verlauf, der vom Design her ziemlich fragwürdig ist. Aber was verstehen wir Buchbinder schon vom Design. Der Verlauf - die 3 Schmuckfarben und die Vollfläche (siehe Abbildung) - sind recht schwierig, sodass man da viele Einrichter braucht, um auf das gewünschte Ergebnis zu kommen. Also alles sehr zeitaufwendig. Bis hierhin trotzdem alles im Rahmen, wenn wir uns über so etwas beschweren, hätten wir uns in einer Onlinedruckerei bewerben sollen, aber das Schlimme daran ist die Auflagenhöhe: nämlich 50 Stück!!!

Visitenkarten_Verlauf(1).jpg

Ich rede nicht von 50 Bogen,... was auch schon ein Witz wäre. Ich rede von 50 Visitenkarten!!!

Unglaublich oder? Auf einen Bogen stehen in dem Fall 10 Visitenkarten, das heißt die Auflagenhöhe beträgt 5 Bogen!!! Ist das zu fassen!?

Wenn vorne ein Bogen in die Maschine läuft, kommt er 18 Bogen später hinten an, es befinden sich also immer 18 Bogen in der Maschine und es ist nur die kleine Druckmaschine. Im Durchschnitt läuft die Maschine mit ca. 8000 Bogen pro Stunde. Die 5 Bogen sind innerhalb von wenigen Sekunden durch die Maschine, 2 Stunden waschen und einrichten um dann die Maschine  ein paar Sekunden laufen zu lassen. Ihr könnt euch vorstellen, dass Jochen nicht begeistert war.

Jedenfalls hatte unsere Kundenbetreuung den Kunden darauf hingewiesen, dass dies preis-/leistungsmäßig ziemlicher Schwachsinn ist und ob sie nicht ein paar mehr Visitenkarten haben wollen und dass sich das kaum auf den Endpreis auswirken würde. Aber nein, der Kunde wollte 50 und nicht mehr. Jedenfalls war unserer Drucker gerade fertig. Nach 2 Stunden einrichten und ein paar Sekunden drucken, hatte er gerade wieder die Farben raus gewaschen und wieder CMYK in die Maschine genommen. Da rief doch tatsächlich der Kunde an und meinte er hätte noch ein paar Visitenkarten. Ein anderer in seiner Designagentur hat nämlich auch keine mehr,... also brauch er nochmal 50 Stück. Und zwar schnell.

Was soll man dazu noch sagen? Wir hätten die auf die selben Druckplatten machen können. Wir hätten nicht einmal einen höheren Papierverbrauch gehabt, weil man ja mindestens 18 Bogen drucken muss. Wir sagten dem Kunden ab. Wir hatten noch andere wichtige Aufträge und haben dem Kunden angeboten, das im Digitaldruck noch schnell zu machen, ansonsten hätte er eine Weile darauf warten müssen. Mürrisch und uneinsichtig nahm er das Angebot an. Vermutlich wird es reklamiert, weil im Digitaldruck sieht das ganze anders aus, als im Offsetdruck und Schmuckfarben sind da auch nicht möglich.

Die Moral von der Geschichte:

Ist eigentlich selbsterklärend, oder? Es ist vielleicht kein Designfehler, aber es ist dennoch absoluter Schwachsinn.

Mal als übertriebenes Beispiel: Wenn die 50 Visitenkarten 1000 Euro kosten, dann kosten 100 Visitenkarten 1005 Euro. Ist natürlich beiweitem nicht so teuer, dies sollte nur zur Veranschaulichung dienen. Die Vorteile einer kleinen Druckerei, wie der unseren, liegen auf der Hand. Siehe das Beispiel mit dem Schmuckfarben, was ich oben angeführt habe. Aber macht euch bewusst, dass der Aufpreis, den man dafür zahlt, aufgrund des höheren Zeitaufwands zustande kommt. Überlegt euch, ob sich also ein Druckauftrag lohnt. Ich will nicht, dass ihr euch von den kleinen Druckereien fernhaltet. Aber 50 Visitenkarten lohnen sich nicht. Und das Schlimmste daran ist, dass diese Visitenkarten für eine Designagentur waren. Also von Mediengestaltern für Mediengestalter derselben Agentur und die sollten ja nun grob Bescheid wissen, wie es in einer Druckerei läuft.

 

Wieso tut ihr mir das an? - 3

Rasterfan

Schweizer Degen

Bei diesen Aufträgen sind kleinere Druckereien, die noch ältere Ein- oder Zweifarbdruckmaschinen rumstehen haben deutlich im Vorteil. So eine kleinere Heidelberger GTO lässt sich viel schneller reinigen als eine Vierfarb-Speedmaster :)
 

Naila

Naschkatze

Bei der GTO mit plüschbezogenem Heberfeuchtwerk bekommt man so einen Verlauf aber viel schwieriger hin und müsste bei 2 Farbwerken das ganze 4 mal durch die Maschine lassen.Hat mein Mann auch schon hinter sich.er hat auf einer GTO gelernt :)
 

Dineria

Aktives Mitglied

Ich habe mich auch immer gefragt, wie die Mit-Goldlöffel-im-Arsch-Geborenen bei uns im Studium bis zu 100 Euro für einen Druck ihrer Projektberichte ausgeben konnten, das letztendlich doch nur lieblos in einer Ecke des Designlabors verrotten... Na ja, aber wenn eine Druckplatte 1 Euro kostet, kann man das schon eher nachvollziehen - wenn man dann noch bedenkt, dass diese Druckplatte aber auch nur für eine einzige zu druckende Seite gebraucht wird, kann man sich eigentlich auch nur an den Kopf fassen und den eigenen Drucker daheim einschalten... :)
 

pery

PS-Genießerin

Mmmhhmm ... okaaaaay ... es war von ner Designagentur für ne Designagentur, jo, die müßten sicher wissen wie es abläuft ... aaaaber, ich beziehe diese Erklärungen jetzt mal auf mich, also pery normalverbraucher... erklärt ihr dem normalen Visitenkartenbesteller auch so ausführlich, wie der ganze Ablauf ist oder kriegt der nur zu hören, wie oben beschrieben, daß das preis/leistungsmäßig Unsinn ist? Ich hab ja nun auch in dem Bereich nicht wirklich Ahnung. Und würde sehr wahrscheinlich auch denken, nee, ich brauch nur 50, keine 100, auch wenn's dann etwas teurer wird. Aber ehrlich gesagt stellt sich doch kein pery normalverbraucher DIESEN Arbeitsablauf vor ... ich hab eben beim Lesen immer noch auf den Hammer-Gag gewartet ... um dann zu erkennen, daß ihr im Ernst und tatsächlich Farbe raus- und reinschaufelt und auswascht????? Da geht doch jeder davon aus, daß da irgendwelche Farbpatronen oder -kanister ab- und drangestöpselt werden und automatisch was durchgespült wird ... wenn man überhaupt davon ausgeht, daß da was händisch umgepolt werden muß... Also, jeder normale Mensch, der nix mit Medien zu tun hat, kann doch überhaupt nicht irgendeinen Aufwand nachvollziehen, sondern müßte wirklich ausführlich aufgeklärt werden, um das zu verstehen...Also, ich finde diese neue Reihe bisher total interessant ... bin auch noch lernfähig :-DLG, pery
 

liselotte

Bärliner Jung

Frage was ist mit den Bögen (in der Maschine) passiert die ja auch noch bedruckt worden?Sind die gleich in die Tonne? Dann zu früh. Oder habt ihr Makulatur nachgeschoben?Fünfzig Stück mit drei Sonderfarben ist schon krass. Wenn es bezahlt wird sollte es doch egal sein. (Da hat der Jochen Waschtag:))Zu dem Kunden möchte ich jetzt nichts sagen aber unter die Nase gerieben hätte ich ihn schön, dass der Rest in der Tonne landet.Immer wieder lustigMfG
 

Naila

Naschkatze

Ja, liebe pery, wir raten dem Kunden dann natürlich auch zu einer höheren Auflage oder fragen wie in diesem Fall, ob nicht auch noch ein weiterer Mitarbeiter gleich Visitenkarten braucht. Sie erhalten auch zumeist das Angebot in gestaffelten Preisen, also für verschiedene Auflagenhöhen, um zu sehen, dass mehr Karten kaum noch was am Preis ändern. Und natürlich erklären wir auch, wieso. Aber es gibt eben Kunden, die darauf bestehen, nur so wenig Visitenkarten zu bekommen und bestellen dann in nem halben Jahr wieder nach, weil sie alle sind. So etwas ist leider Alltag. Schade um die vielen Bögen, die man dann wegschmeißen muss. Aber aus platztechnischen Gründen können wir das auch nicht alles aufheben, in der Erwartung, dass der Kunde eh bald Nachschub bestellt.
 

Naila

Naschkatze

Ja der Rest landet leider in der Tonne. Wie ich unter perys Kommentar schon schrieb, können wir die restlichen leider nicht einlagern, in der Erwartung, dass der Kunde nachbestellt. Die Bögen werden manchmal aber auch nochmal zum Einrichten von anderen Aufträgen wiederverwendet, wenn nicht grad ne Vollfläche (wie in diesem Fall) drauf ist.
 

Naila

Naschkatze

Keine Sorge, erstens: unsere Mitarbeiter und Chefs wissen darüber bescheid und zweitens: wir verändern die Beschreibung der Aufträge natürlich in so weit, dass der Kunde sich darin nicht wiedererkennen würde (verfremden die Farben, das Muster, Logos etc.) und es auch auf keinen speziellen Kunden zurückzuführen ist. Und die Namen der Mitarbeiter werden ja auch geändert, wie du siehts :) Das was wir nicht verändern, ist der Fehler oder die Thematik der ganzen Sache, also das, was Thema ist, ist auch wirklich passiert.
 

vaha

Noch nicht viel geschrieben

Da fühle ich mich irgendwie stark an meine Arbeit erinnert. Mittlerweile gehe ich durch diese nach dem Motto "Du wirst pro Std. bezahlt..."
 
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