Erst kürzlich präsentierten Adobe und NVIDIA auf der SIGGRAPH das Projekt . Das Ziel: Die digitale Malerei soll der realen noch viel, viel näherkommen, am besten jede einzelne Pinselborste berücksichtigen und die Viskosität von Farben sowie die zugehörige Fluiddynamik auf der Leinwandoberfläche noch besser nachahmen. Rechenhungrige Verfahren, wenn das Ganze noch dazu möglichst echtzeitnah ablaufen soll.
beschritt nun einen Weg mit ähnlichem Ziel. Jedoch griff er in seiner Herangehensweise auf ein handelsübliches iPad zurück und scheint damit ziemlich erfolgreich gewesen zu sein. Bedeutet: Das „realistischere Malen“ kann vielleicht alsbald auch ohne Rechentechnik am obersten Ende der Leistungsskala erfolgen, noch dazu direkt am Ort des Motivs.
Eventuell schön für alle Adobe-User: Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Adobe durchgeführt, und vielleicht finden die Ergebnisse ja auch irgendwann einmal Einzug in Programme wie zum Beispiel Adobe Sketch?! Wer weiß ...
Die von Tuur Stuyck im Video „Real-Time Oil Painting on Mobile Hardware“ beschriebenen Features sind jedenfalls ein Ansehen wert:
Zusammengefasst wurde hier also ein Echtzeit-Ölmal-Simulator kreiert, der auch bei der eher begrenzten Rechentechnik mobiler Geräte funktioniert. Konkret wurden drei wesentliche Beiträge erarbeitet:
1. Simulation von flachem Wasser mit Formeln für viskoelastisches Verhalten
Wasser ist an sich ja anständig niedrigviskos, das heißt es fließt nur allzu gern dahin. Bringt man jedoch Materialen wie zum Beispiel Farbpigmente ein, verhält es sich unter Umständen nicht mehr so fröhlich dahinfließend, weil die Eigenschaften der eingebrachten Feststoffe dem entgegenwirken. Ein bisschen viskos, ein bisschen elastisch.
Hinzu gesellt sich nun noch der Aspekt, dass man bei der Malerei ja nicht von einem Tiefengewässer sprechen kann, sondern auf der Oberfläche einer Leinwand in einem eher dünnen Film arbeitet. Es genügt also vollkommen, Berechnungen anzuwenden, die sich in eher flachen Gewässern „auskennen“ (was schon komplex genug sein dürfte).
In die Praxis umgesetzt, sieht das Ganze so aus, wie im Video von Minute 0:56 bis 1:16 zu sehen. Die viskoelastische Eigenschaft der Farbe wird dabei über den Regler „Pigment“ variiert. Je weniger Pigmente, umso mehr „Fließen“ ist in den drei aufgebrachten, roten Farbflecken zu erkennen.
Und weil dieses Fließen vorrangig in Richtung Erdmittelpunkt stattfindet, also der Schwerkraft folgt, setzt Tuur Stuyck noch eine Simulationsebene obendrauf: Die Farbe fließt entsprechend der Ausrichtung des mobilen Gerätes. Schon spannend zu sehen, wie der im Video ab Minute 1:16 gemalte Farbfleck erst in die eine Richtung und nach Drehung des Tablets bei 1:24 in eine andere Richtung fließt.
2. Multi-Schichten
Eine Schicht ist nun schön, aber Malen basiert ja vielfach auf Mehrfarbigkeit. Ein bisschen vom Rot, ein wenig vom Gelb, und wenn beides in noch feuchter Form und unter andauernder Pinselbewegung aufeinandertrifft, dann strahlt es nicht nur orange, sondern wird rechenseitig ziemlich komplex.
Das hier angewandte Modell funktioniert so: Insgesamt stehen erst einmal vier virtuelle Pigment-Schichten zur Verfügung. Diese können nun per Pinselstrich mit Farbe gefüllt werden, wobei jeder Pinselstrich eine eigene Nummer bekommt und auf den anderen „aufgestapelt“ wird. Im Ergebnis hat man also vier Pigmentschichten mit vier verschiedenen Pinselstrichen übereinanderliegen. Die maximal mögliche Schichtung ist also erreicht (Video: Minute 1:58). Doch das soll dem fünften Pinselstrich keinen Abbruch tun: Wird dieser hinzugefügt, werden die unteren beiden Schichten miteinander verrechnet, ergeben eine eigene, neue Schicht und schaffen so Raum für Strich Nummer fünf (Video: Minute 2:00).
Nebenbei spielt noch ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle: die Pinselbewegung. Je länger diese mit einer Pinselkonfiguration ausgeführt wird, umso stärker werden die Pigmente zwischen den verschiedenen Pigmentschichten vermischt.
3. Echtzeit-Rendering
Und hier geht es dann noch an das Licht und die Schatten. Zum einen gibt es virtuelle Lichter, die bei Lageveränderung des Tablets unterschiedliche Lichteffekte in der gemalten Struktur hervorrufen (Video: ab 2:12). Zum anderen kann die Kamera des Tablets benutzt werden, um das „echte“ Umgebungslicht auf das Gemalte anzuwenden (Video: ab 2:26).
Schließlich wird im Video noch ein Zeitraffer geboten, der die Entstehung eines Gemäldes zeigt. Eine Stunde, in der ein „traditioneller Maler“ seine Kunst zu Papier … äh, zu Tablet brachte.
Stellt sich nur noch die Frage: Wann darf bei Adobe so gemalt werden?
Euer Jens
Bild Vorschau und Titel: Screenshots aus dem Video "Real-Time Oil Painting on Mobile Hardware" von