Auf alten Fotografien lachen Personen nur selten. Selbst Hochzeitsbilder vermitteln nicht eben das Gefühl von Glückseligkeit. Das liegt aber weder am Gemütszustand der porträtierten Personen noch an der damaligen Allgemeinstimmung. In einem Video von und einem Bericht auf vox.com werden vier Gründe für das Nicht-Lächeln angeführt …
⌙ Bildquelle: Ausschnitt eines Fotos von Louis Daguerre (1838), Screenshot aus dem Video „Why people never smiled in old photos“ von vox.com
1. Die Technik
Zuallererst steht da natürlich die damalige, noch junge Fototechnik und die damit verbundene, erforderliche Belichtungszeit – stillstehen musste man, für mehrere Minuten, bis der Film ausreichend Photonen abbekommen hatte. Über einen längeren Zeitraum ausdruckslos in die Kamera zu blicken fällt dabei sicherlich leichter, als das Gesicht in einem „Cheese-Dauerzustand“ zu halten.
Zur Veranschaulichung der Belichtungszeit wird im Video das oben gezeigte Foto von Louis Daguerre aus dem Jahre 1838 angeführt. Leere Straßenzüge, weil sich die Menschen während der Langzeitaufnahme bewegten, und nur schemenhafte Umrisse von zwei Personen: die eine putzt Schuhe, die andere lässt sich die Schuhe putzen.
So weit, so wenig überraschend. Doch das Video geht über diese simple Antwort hinaus: Die Fototechnik entwickelte sich weiter und Fotografen konnten ein Lächeln spätestens in den ersten 1900er-Jahren problemlos festhalten – die Menschen jedoch schauten noch immer wenig fröhlich in die Kamera.
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2. Einfluss der Malerei
Man müsse daher verstehen, was Bilder damals für die Leute bedeuteten: „Bevor es Fotos gab, wurden Porträts gemalt.“ Das war extrem zeitaufwändig und die entstehenden, unikalen Bilder hingen für eine lange Zeit an den Wänden. Keine schnellen Momentaufnahmen, wie wir sie heute mit jedem Smartphone anfertigen können, sondern repräsentative Abbildungen – eine ernste Sache also!
3. Unsterblichkeit
Mark Twain schrieb im Jahre 1913, bezugnehmend auf die Fotografie, es gebe für die Nachwelt wohl nichts Schlimmeres als „ein albernes, dummes Lächeln, aufgenommen und für immer festgehalten.“ Diese Sichtweise, so der Redner in dem Video, sei damals typisch gewesen – Fotos als Möglichkeit zur Unsterblichkeit, als „Aufnahme einstiger Existenz“ der gezeigten Personen.
4. Zeitgeist
Der letzte Grund dafür, dass Menschen auf den Fotos nicht lachen, sei schwer zu belegen: Es bestehe die Theorie, dass Lächeln in den frühen 1900er-Jahren wenig angesehen war und eher Witzbolden zugesprochen wurde.
Die zahlreichen Beispiele mit lächelnden Menschen auf Fotos aus der viktorianischen Zeit belegen allerdings: Die Menschen waren damals keineswegs unglücklich, sie wurden nur üblicherweise ziemlich ernst, wenn es darum ging, ein Porträt aufzunehmen. „Menschen wussten immer, wie man lacht. Sie mussten nur lernen, wie man es zeigt.“
Euer Jens