Nach Vorlage zeichnen zu lernen ist völlig unabhängig vom Motiv. Dabei geht es u.a. darum sich von "Vorurteilen" zu lösen und das Gesehene objektiv zu betrachten. Dazu gibt es Übungen und Tricks, einen bekannten Ansatz zeigt etwas Betty Edwards, deren "Garantiert zeichnen lernen" sicher der eine oder andere kennt.
Eine ganz andere Geschichte ist das frei zeichnen. Das zu erlernen kann man meiner Meinung nach grob in drei verschiedene Richtungen, die man freilich kombinieren kann:
1. Rezepte:
Man sucht sich oder entwickelt fixe Abläufe und baut jede Figur, jeden Kopf, Hand,... nach einem einfachen (=leicht zu merken, und leicht zu konstruieren), fixen Schema auf. Beispiel Kopf: Einen Kreis, einen senkrechten, einen waagrechten Strich durch die Mitten, evtl. gekrümmt bei Halbprofil, dann Ohr, usw.
Vorteile: Es ist relativ(!) unabhängig vom Talent und kann für viele lohnend sein, wenn sie nie Leidenschaft fürs Zeichnen hatten und dadurch allein aus der Erfahrung bereits gute Ergebnisse haben.
Nachteil: es ist eine Sackgasse
2. Räumliche Konstruktion des Kopfes (der Anatomie)
Hier weiß man um die räumlichen Verhältnisse, zB dass die Augen +/- Kugeln sind und wo sie sitzen, wie ein Unterkiefer aussieht, wie es im Schädel eingelenkt ist, ... Statt wie bei 1. konstruiert man nicht zweidimensionale Hilfslinien, sondern stellt sich den Kopf im Raum vor und legt entsprechende Hilfslinien an, etwa Kreise für die Augäpfel und verfeinert das immer weiter zur Zeichnung.
Vorteil: man kann praktisch jede Perspektive zeichnen, selbst wenn man sie sich in dem Moment nicht vorstellen kann.
Nachteil: Proportionen und Anatomie müssen halbwegs sitzen (man muss sich nicht den Namen M. sternocleidomastoideus merken, aber vielleicht wie er aussieht) sonst wird das schnell messy
3. Erfahrung
Wenn man hunderte oder gar tausende Köpfe gezeichnet hat - ob jetzt nach Vorlagen oder nach dem Leben - braucht man weder 1. noch 2. Dann braucht man nur noch eine gelegentliche Referenz für Gesichtsausdrücke (Spiegel!). Ich hab früher oft im Park gesessen (heute sieht man fast nur noch die Smartphonepose) und einfach nur 2-3h (u.a.) Menschen gezeichnet. Das füllt schonmal schnell ein Skizzenbuch, denn oft hat man nur einen einzigen Blick um etwas festhalten. Aber wenn man dran bleibt bekommt man ein gutes Gefühl für den Körper jeden Alters.
Wie soll man nun anfangen Köpfe zu zeichnen?
mein Vorschlag für erste Erfolgserlebnisse 10 verschiedene Bilder von Köpfen zu suchen. 5 frontal, 5 im Profil. Diese dann in wirklich einfache Forme(l)n zerlegen. Kreise, Quadrate, Halbierungslinien. Dann nach dieser Formel zwei, drei Köpfe zeichnen und mit den Fotos vergleichen. Wo weiche ich davon ab (zB wird die Stirn gern zu flach gezeichnet) und die Rezepte korrigieren, bis sie passen. Solche Rezepte sind auch später für schnelle Skizzen, Layouts u.dgl. ganz praktisch, weil man sich dann voll auf die Komposition konzentrieren kann.
Parallel dazu die Räumlichkeit des Kopfes studieren. Dazu macht es Sinn zu wissen wie ein Unterkiefer aussieht, wo die Augäpfel liegen oder das Ohr, wie der Hals ansetzt usw. Auch hier möglichst einfache Formen zugrundelegen. Dabei stören Details wie Goldener Schnitt, individuelle Abweichungen, Asymmetrien nur.
Und ebenfalls parallel so viel wie möglich zeichnen, nicht Details, grob, entwurfsmäßig! Die meisten gehen viel zu schnell ins Detail. Das stört nur bei der Entwicklung. Macht zwar Spaß, lenkt aber vom Wesentlichen ab. Niemand beginnt das Planen eines Hauses bei den Lichtschaltern.