AW: Medieninformatik Exmatrikulation -Traumberuf 3d artist – was nun?
Hallo Michael,
als langjähriger 3D Animator und Trainer in den Bereichen 3D Grafik und Gestaltung erlaube ich mir normalerweise, an dieser Stelle als erstes den Satz "lass die Finger davon" los zu werden. Allerdings geht es dann meist um Leute, die ihre Fähigkeiten in meinen Augen stark selbst überschätzen, oder um solche, deren Begeisterung vor allem anderen steht und damit zu einer eigenen Fehleinschätzung führt. *)
Dieser Satz dient vor allem der Motiovation, so seltsam das klingen mag. Denn jemand, der verunsichert ist und sich hier an andere wendet, hat idR. (noch) nicht den drive, den Antrieb dazu, sich zu sagen "ich klemme mich jetzt mit allem was ich habe dahinter und lege los". Das ist nämlich immer noch absolut notwendig, um mit 3D irgendwann auf einen grünen Zweig zu kommen. Eigeninitiative und Disziplin sind absolute Notwendigkeiten um voran zu kommen. Spaß darf und sollte es natürlich trotzdem machen, auch das sind gute Motivatoren.
3D Grafik ist ein unglaublich umfassender Bereich. Ein Kollege von mir prägte dazu den stimmigen Satz "3D kann nich jeder", da ist etwas Wahres dran.
Warum?
Zum einen musst Du als 3D Allrounder - und das sind in Deutschland m.W. noch über 70%, die übrigens idR. selbständig sind oder zumindeste freelancer - im Grunde mal locker 15 verschiedene Berufe mitbringen, die mit 3D erstmal nichts zu tun haben. Ich habe vor einer Weile in einem ähnlichen Thread schonmal eine Liste runtergeschrieben:
Dabei haben fast alle Berufe gemeinsam, dass sie so technische wie künstlerische Inhalte enthalten. Der 15. ist übrigens der Designer oder eben Gestalter, wobei das wieder sehr unterschiedlich ausgerichtet ist, je nach dem ob man Stills oder Animationen macht, eher "trockene" Arbeiten oder künstlerisch ausgerichtet ist.
Zum anderen ist da die Software selbst. Man braucht Ausdauer, eine Langzeitmotivation, um sich die Software an sich reinzudrömmeln. Außerdem muss man einen Zugang zu 3D finden, denn die meisten Dinge kann man nicht 1:1 aus der realen Welt in 3D rüber bringen. Wenn es keine Simulationstools für meine Aufgabe gibt, muss ich dazu in der Lage sein, Animationen per Hand zu erledigen. Dabei sollten sie dann so aussehen "als ob", nicht wirklich real im Rechner nachgebildet werden, was oft auch garnicht geht. "Sieht so aus wie" ist einer der Leitsätze in dem Biz und führt zu einem weiteren, nämlich "mache nie mehr als nötig". **)
Ausdauer und Selbstantrieb funktionieren bei jedem anders, allgemeingültige Rezepte funktionieren hier nicht. Aber ob es soweit kommt, dass Deine Kenntnisse wirklich in die Tiefe gehen, hängt wiederum von Dir selbst ab. Und für die Tiefe brauchst Du Zeit und Durchhaltewillen. Einsteigen kann jeder und das tun auch viele. Die anfängliche Lernkurve ist nicht nur in Cinema sehr steil - hier wird es werbewirksam behauptet
- sondern auch in meisten anderen 3D Programmen. Aber in dem Moment, wo Du eine 3D Software komplett ausloten willst, brauchst Du besagtes Durchhaltevermögen, hier wird die Lernkurve schnell sehr flach. Überall. Aber nur so kommst Du auch an Wissen, mit dem Du einen Kunden oder Deinen Chef umfassend bedienen kannst. Denn eine 3D Software ist idR. ein Paket mit den unterschiedlichsten Inhalten. Modellieren, Texturieren, Beleuchten und Rendern kann jeder ziemlich schnell. Das gut zu machen, dauert schon seine 2-3 Jahre. "Den ganzen Rest" überhaupt dazu zu lernen, nochmal ein paar Jahre (der Rest beinhaltet in C4D z.B. character animation, verschiedene Arten von physikalischen Simulationen, Haare, Rauch, Flüssigkeiten, "sculpting", Automatismen und Scriptsprachen und mehr).
Nach 8-10 jahren schaust Du als 3D Allrounder dann von der ersten Kuppe des erstiegenen "Massivs 3D Grafik" auf die letzten Jahre herunter. Es liegen zwar noch ein paar Kuppen vor Dir, aber jetzt weißt Du wirklich, ob der Job was für Dich ist
***)
Das Bild dient nicht der Abschreckung. Du musst aber dazu in der Lage sein, Dich selbst gut einschätzen zu können. Ob Du das schaffen kannst, kann Dir kein anderer sagen. Vor allem nicht ohne Arbeiten - die beiden auf der Webseite sind leider sehr klein, außerdem kann man nicht sehen, was Du davon beherrschst. Die Jeremy Birn lighting challenges auf cg talk sind aber sehr empfehlenswert fürs Erlernen der Bereiche Material, Licht und Rendering. Vor allem die Laufenden, in denen man Rückmeldung von anderen Pros erhält.
Sicher gibt es 11-Klässler, die weiter sind als Du. Einfach weil sie interessiert schon ein paar Jahre investiert haben. Aber die sind auch die absolute Ausnahme. Die Regel ist auch hier: nahezu fanatisches Interesse, das bei der ersten oder zweiten Hürde verpufft. Das interessiert aber hier beides nicht, wichtig ist, was Du von Dir selbst erwarten kannst.
Du hast einen ersten Einblick in Maya erhalten. Ich will nicht sagen "Du weißt jetzt, was auf Dich zukommt", das wäre gelogen. Das weißt Du wirklich erst, wenn Du 1, 2 Jahre intensiv gelernt hast. Ich kann Dir nur dieses Bild aufzeigen und erklären, dass es viel Power kosten wird, an einen Punkt zu kommen, wo Du Dich selbst 3D Artist oder Animator nennst. Und vor allem geht es hier um eines, nämlich den selfmade 3D Artist, denn *die* Möglichkeit, 3D Grafiker per Studium oder Ausbildung zu werden, gibt es in Deutschland noch nicht. Vereinzelt gibt es aber auch Studiengänge staatlicher Hochschulen, die sehr viel 3D enthalten, und natürlich die Privaten. Leider ist es den Unis selbst überlassen, ob und wie sie die Fächer ausrichten. Ein Ausbildungsgang zum 3D Grafiker ist aber gerade in der Mache und soll voraussichtlich ab 2013 greifen. Mehr kann ich Dir zum Werdegang leider im Moment nicht sagen, aber das noch: es sieht so aus, als ob die meisten privaten Schulen kein durchgängig hohes Niveau in Sachen 3D Ausbildung mit sich bringen, das scheint in vielen Fällen rausgeschmissenes Geld zu sein.
Die staatlichen Studiengänge verstecken sich immer wieder gut, da musst Du mal hier im Forum suchen, ein paar Threads dazu gibt es. Wie gut die Ausbildung werden wird, steht noch in den Sternen und hängt wie immer dann auch von der jeweiligen Ausbildungsagentur ab.
Wenn Du die Power dazu hast, würde ich Dir raten, nach Deinem Abschluss einen Job anzufangen, der Dir Geld einbringt, und parallel 3D zu lernen was das Zeug hält.
Deine 2. Frage, was man tun muss, um dann Fuß zu fassen: geh in die 3D Foren mit Deinen Arbeiten, nachdem Du sie Dir einige Zeit immer wieder vorgenommen hast, um Dir kompetente (!) Rückmeldungen zu holen, was Du verbessern kannst. Und versuch Dich dann auch in diesen Verbesserungen. Du wirst schnell merken, wie die Leute so reagieren. IdR. kannst Du dann die zig Beiträge wie "poah toll, das will ich auch können" getrost überlesen. Es ist sicher oft ernst gemeint, aber keine Messlatte für das eigene Können und hilft auch nicht wirklich weiter. Schau Dir genauso andere Arbeiten an und wenn Du sie gut findest, frag Dich und den Grafiker, wie er zu dem Ergebnis gekommen ist, vielleicht bekommst Du ja ausführliche Antworten, die Dich ebenfalls weiter bringen.
Grundsätzlich darf man dabei nämlich nicht aus den Augen verlieren, dass das ganze doch nicht nur reine Technik ist. Die Kritiker schauen sich ein Rendering auf vielen verschiedenen Ebenen an, etwa auch Komposition und Farbgebung neben der rein "technischen" Ausführung. Gestaltung ist nämlich genauso wichtig, sonst wirken selbst gute Werke nur wie ein schlichtes Ablichten eines Gegenstandes. Schau Dir unter dem Aspekt mal die letzten 10 Werke im an.
Um in Maya gut Fuß zu fassen, empfehle ich Dir dringend, noch weitere 3D Foren und auch reine Maya Foren zu suchen, die mehr Kompetenz gewährleisten. cg talk ist da sicher nicht schlecht, als weltweit größtes 3D Forum beheimatet es auch viele 3D Pros, die z.B. an bekannten Spielfilmen mitgewirkt haben. Jeremy Birn mit dem lighting challenge ist z.B. bei Pixar, und er ist nicht die Ausnahme dort
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*) Entscheiden kann man so was ja immer nur über den einen Eindruck, den man hier im Forum und vielleicht über eine Webseite, vielleicht noch über privaten Austausch erhält, und da liegt man halt hin und wieder in der einen oder auch der anderen Richtung daneben.
**) "Sieht so aus wie"-Beispiel: ein Papier falten oder einen Apfel zerreiben, Tropfen an etwas herunterlaufen lassen. Um das realistisch aussehend hinzubekommen, versuchen viele, Simulationen dazu zu erstellen. Oft sind es ganz andere Wege, die viel einfacher und schneller und gut aussehend zum Ziel führen.
"Mache nie mehr als nötig"-Beispiel: Wenn Du eine Kulisse brauchst, halte es wie im alten Western: baue nur die Fassade wenn nicht mehr im Bild ist.
***) Soll nicht heißen, dass die Lernerei je zu Ende sei. 3D steckt im Grunde immer noch in den Kinderschuhen, seitdem sie Anfang der 80er Jahre anfing, salonfähig zu werden. Seit dem hat sich viel getan, aber im Grunde kommen jährlich zig neue Verbesserungen und Veränderungen hinzu, die wenige Jahre zuvor von Spezies entwickelt und jetzt integriert wurden. Und die muss man sich dann natürlich auch neu erarbeiten. Das wird sicher noch einige Jahrzehnte so gehen und sich komplett verändern.