AW: Nähe
Die Schärfe ist bei der Makrofotografie das wichtigste Merkmal! Makros leben erst durch passende Schärfe.
Es gibt eine Unterscheidung bezüglich der Schärfeebene und des Schärfentiefenbereichs. Bedingt durch die kurzen Abstände ist der Schärfentiefenbereich bei Makros praktisch nie ausreichend, um das ganze Objekt scharf abzubilden. Man kann also entweder eine geeignete Schärfeebene wählen oder mehrer Aufnahmen mit kontinuierlich verschobenen Fokus machen, die später per Software zusammen gesetzt werden.
Baut man die Blüte nachträglich zusammen, ist unabdingbar, dass alle wichtigen Einflussfaktoren kontrolliert werden. Das bedeutet Stativ, gleichbleibendes Licht (in der Regel künstlich), fixiertes Objekt und gute bis sehr gute Objektive.
Wenn die Schärfe als nicht ganz top bezeichnet wird, wäre das Bild für mich bereits Ausschuss. Die Schärfe führt den Betrachter schließlich und der Aufwand mit vielen Bildern, um das ganze Objekt in allen Ebenen scharf abbilden zu können, ist nicht ohne, muss also seinen Grund haben - was man im Endprodukt großformatig an der Wand auch sieht.
Die Versuche, das Bild durch Beschnitt, Nachschärfen und Farbsättigung "zu retten" schlagen leider ebenfalls fehl.
Beschnitt ist durchaus gängig und auch in Ordnung, die Szene wirkt dadurch "näher gebracht", sollte aber nur dann angewandt werden, wenn das Bild nicht schon passend aufgenommen werden kann (auch hier ist ein Stativ hilfreich, um den Ausschnitt in Ruhe einzurichten), da man unnötig Auflösung verspielt - später an der Wand sieht man das wieder.*
Nachschärfen ist ebenfalls durchaus sinnvoll, es sollte dann partiell erfolgen, klappt aber nur, wenn die Schärfe auch vorher korrekt angelegt war.
Farbsättigung macht leider nicht bei allen Farben Sinn. Rot ist eine davon, da Digitalkameras Rot nicht ausreichend sanft abstufen können, was man an den harten Übergängen im bearbeiteten Bild (Farbsäume um die weißen Flächen) auch klar sieht. Hier bieten sich helle Farben weit besser für die Makrofotografie an, als rote Blüten. Einzige Möglichkeit das bei Rot zuverlässig in den Griff zu bekommen, ist die absolute Kontrolle der Ausleuchtung und sehr fein gesetztem Licht.
Langsam wird wahrscheinlich auch klar, dass es von Bildern die "ganz nett" sind zu Bildern die "gut" sind und dann zu Bildern die "top" sind eine sehr langer Weg ist. Nicht umsonst ist Makrofotografie eine der Königsdisziplinen in der Fotografie.
Zu dem Bild selbst fallen mir noch ein paar Dinge ein, die unzureichend sind, auch bezüglich der Vorauswahl der Blüte (wenn man nicht den oben beschriebenen Aufwand treiben will oder kann) und die man durch eine andere Wahl leichter in den Griff bekommt.
- Die Kontraste zwischen Blütenblättern und Stempel sind sehr gering, da sie die gleiche Farbe haben.
- der Pollenstaub hebt sich nur unzureichend vom Rot ab, anscheinend auch, weil die Farbtemperatur nicht angepasst wurde.
- Es fehlt Licht oder die Lichtunterschiede müssen einen für den Betrachter sichtbaren Grund haben -wäre beispielsweise nur der helle Teil im Stempel scharf, würde sich die Lichtführung (die hier ja nicht erfolgt ist) wieder erklären.
Hey und wo ist das Insekt? - just kidding
Ich hoffe du konntest mit den Ausführungen etwas anfangen, ansonsten kannst du auch gerne gezielt nachfragen und ich gehe näher darauf ein.
DOFMaster (DOF = Depth of Field) beschäftigt sich sehr ausführlich mit dem für die Makrofotografie so wichtigen Thema des Schärfentiefenbereichs.
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* zur Wand, weil ich sie immer wieder erwähnte
Makros machen nur dann Sinn, wenn sie irgendwann großformatig an der Wand hängen und dem Betrachter etwas Kleines groß ins Auge werfen. Die Makrowelt ist ja genau deshalb so faszinierend, weil wir sie mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmen und schon gar nicht so plakativ vor Augen geführt bekommen wie das ein Großdruck tut