Eine Höhle: Menschen sitzen da, fest arretiert, sodass sie Zeit ihres Lebens nichts als die ihnen gegenüberliegende Wand und das darauf stattfindende Schauspiel wahrnehmen. Sie sehen weder ihre Mitstreiter noch den Ausgang in ihrem Rücken noch das im Hintergrund aufflackernde Feuer.
Dessen Lichtschein wirft ihre eigenen Schatten an die Wand. Dazu – sich bewegende Schatten menschlicher Gestalten und anderer Kreaturen, von denen manche gar zu sprechen vermögen.
Der Ursprung dieses merkwürdigen Theaters: Im Rücken der Gefesselten und vor dem Feuer befindet sich eine kleine Mauer, hinter der Menschen verschiedene Skulpturen hin und her tragen, ohne dabei selbst über die Mauer zu ragen. Mitunter wird dabei gesprochen und das Echo hallt den Festgebundenen als Stimmen der Schatten wider.
Ein Leben lang: Nur die Wand. Nur die Schatten der Nachbarn. Und nur die sprechenden Schatten seltsamer Gestalten. So die Wirklichkeit und Realität, aus der Theorien entwickelt und Prognosen abgeleitet werden. Wer von den Gefangenen dabei am besten voraussagt, erhält Lob und Zuspruch.
Doch was wäre, wenn einer der Höhleninsassen losgebunden wird? Aufsteht, sich umwendet, Feuer, Ausgang und Mauer erblickt? – Er würde sich mit schmerzenden Augen wohl freiwillig schnell wieder niederlassen und aus dem merkwürdigen Traum zurück in seine eigene Wirklichkeit fliehen.
Und wenn man ihn zwingt? Hinfort von der Felswand, hinaus aus der Tiefe und hinauf zum täglichen Wechsel zwischen Tageslicht und Sternenzelt? Es würde dauern, es wäre noch schmerzhafter, doch mit der Zeit würde er beobachten, erfahren und verstehen. In die Höhle zurück? Keine Chance!
Und wenn er doch dahin zurückkehren würde? Die Schattenbilder an der Wand kann er dann nicht mehr „richtig“ erklären, zumindest nicht in den Augen der Gefesselten, und es bliebe ihm wohl nichts als Spott und Verachtung …
Soweit und ungefähr das Höhlengleichnis von Platon, der diese Geschichte zwischen Lehrer Sokrates und Gesprächspartner Glaukon aushandeln lässt. Davon und von den Theorien der Quantenphysik sowie des Multiversums inspiriert, entstand das Video „The Allegory of the Cave“ von Visual Suspect. Oben, unten, links oder rechts – so genau kann man das hier alles nicht verorten:
Euer Jens
Bildquelle Vorschau und Titel: Screenshot aus dem Video The Allegory of The Cave von Visual Suspect