Aber Castordesigns Hinweis auf eine Schreibkultur der eher jüngeren Generation kann ich nicht nachvollziehen, denn von Kultur kann man da m. E. nicht mehr sprechen
Na na na. Das höre ich oft von Älteren, die sich eine Kulturtechnik angeeignet haben und einen Technik- und Kulturwandel nicht nachvollziehen können - das heißt aber nunmal nicht, dass da keine ist. In meiner Kindheit war mal nur das gedruckte Wort (Buch, sonst nix) "echte" Kultur und Fernsehen böse, im Youtube-Zeitalter trauern Eltern nun beinahe dem ehedem Verteufelten nach, dass nicht mehr "gemütlich" gemeinsam Fernsehen geguckt wird - vom gedruckten Wort der selbst kaum noch lesenden Eltern keine Rede mehr.
Bin selbst übrigens damit groß geworden, dass auch meine Comics shit (... keine Kultur ...) sind - und habe es gehasst, dass nur irgendwelche Gemälde vergangener Jahrhunderte wahre Kunst wären. Zumindest sind heute mehr große Kinofilme von Comic-Figuren abgeleitet als von großen Gemälden. Dasselbe haben wir heute auch mit Computerspielen - natürlich ist auch das keine Kultur, nur Kino (früher ebenfalls shit) ist es heute angeblich - während der Spiele-Teil im Spiegel-Kultur im Laufe der letzten Jahre wohl annähend ähnlich umfangreich geworden ist, wie der Film-Teil. Kultur ist nunmal nicht nur, was man in der vielleicht lange zurückliegenden Schulzeit schon als Fach hatte. Nüchtern betrachtet ist das Gerinnen von Kultur in solchen Regeln (Formeln für guten Satzbau, Typografie, golderner Schnitt ...) vermutlich sogar wohl eher das Ende einer Kultur.
... Satzzeichen: was interessiert es im SMS, Twitter und anderen Kurznachrichten-Services, welche Satzzeichen nach welche Geodaten gerade korrekt wären?
Selbst im Schriftsatz läßt das aus ganz praktischen Gründen nach: es sind ja nicht nur Satzzeichen - gerne kommen dann ja auch Spezialitäten wie Ligaturen, Umlaute etc. dazu. Spätestens wenn ich Texte Cross-Medial nutze, fange ich mir damit technisch eben auch Nachteile ein - z.B. kann so eine fl-Ligatur oft nicht mehr per Suchfunktion ermittelt werden - es liegen ja weder "f" noch "l" vor, sondern ein Sonderzeichen, das kaum ein Mensch suchen wird. Im Zeitalter des per Speed-Reading-Training geschulten Abscannes (statt Lesens) ganzer Seiten sind die im frühen letzten Jahrhundert aufgestellten typografischen Regeln mehr und mehr irrelevant. Zumindest will keiner mehr für sie bezahlen - der Buchverlag (so es überhaupt noch einen gibt und nicht gleich ein "On-Demand"-Service genutzt wird) hat bei 99% der Publikationen schon lange keine Lektoren und Schriftsetzer mehr ("Hochladen-Button, Sie wissen sicher, bla bla ..."). Nicht zuletzt: im IT-Zeitalter geht ziemlich oft irgendwas nicht, wenn ich vom einfachsten Zeichen-Satz (ohne Umlaute!) abweiche, nicht nur die Suche - auch Dateinamen, Webseiten, Quelltext-Dateien, Datenbanken - meist wird nichts besser, wenn man durch Zeichensatz-Spielchen zusätzliche Trouble-Dimensionen eröffnet.
... Zeit und Geld: Lese gerade auf heise.de dass es wieder Abmahn-Ärger wg. Impressumsdetails gibt (k-o-t-z-e, weil das natürlich auch meine Zeit wieder binden wird) - wenn ich das einem Kunde sage, dann fließt das Geld ganz sicher eher dort entlang als in Typografie-Details, die 99,99% der Leser eines Endkunden-Mediums nicht mal im Direktvergleich richtig und falsch zuordnen können.
Bei aller Liebe: an der Front werden wir uns mit dem Gang der Dinge abfinden müssen, denke ich.
Last but not least: Fehler in solchen Foren korrigiere ich, wenn sie mir auffallen. Regeln versuche ich schon einzuhalten. Aber: einen Lektoriats-Service mache ich nicht daraus, wenn ich hier Leuten kostenlosen technischen Support liefere. Wenn das sein soll, kann man mich gerne als Gutachter, Autor, Technical Writer, Produktmanager, Technologie Scout etc. beauftragen oder hier eine "Bezahlen"-Funktion implementieren - gegen meinen üblichen Tagessatz lese ich dann natürlich auch Korrektur, versioniere und sequenziere brav, mache schöne Visualisierungen usw.