@hobbit-55
Ein anspruchsvolles Thema ...
Ich kann jetzt nicht genau sagen, was die Kamera als 'Meßinstrument' verwendet, um den Weißabgleich zu 'messen', soweit ich weiß, orientiert sich die Kamera dabei an den helleren Motivbereichen und ermittelt für diese einen 'passenden' Weißabgleich. Inwiefern sich dabei das Prozedere von der Softwarevariante unterscheidet, kann ich nicht sagen, ich kann nur vermuten, dass es da gar keinen Unterschied gibt, wenn in beiden Fällen das reine Rohdatenbild zugrunde liegt (also auch in der Kamera lediglich nachträglich ein Wert ermittelt wird). Das bezieht sich natürlich alles auf den Automatik Modus!
Das Problem sehe ich also eher da, wo es im Motiv selbst keine geeigneten Referenzen gibt, an denen man sich orientieren könnte. Man kennt weder die Zusammensetzung des Lichts noch die Emissionseigenschaften der angestrahlten Flächen, so dass man da eigentlich nur ins Blaue raten kann. Der persönliche Eindruck vor Ort (Stichwort Wahrnehmung) hilft da auch nur sehr bedingt weiter, denn im Gehirn wird ja quasi in Echtzeit ein permanenter Einfluß auf das, was wir sehen, genommen, dazu kommt dann noch, dass Erinnerungen alles andere als verläßlich sind ...
Nun könnte man also die Farbtemperatur selbst messen wollen und auch die Farben der Objekte könnte man separat messen. Letzteres macht wenig Sinn, denn die wiedergegebenen Farben werden ja maßgeblich vom Licht beeinflusst, mit dem Objekte beleuchtet werden. Also das Licht messen. Sowohl mit einer direkten Messung als auch mit einer indirekten Messung könnte man nun versuchen, die Farbtemperatur der Lichtquelle zu messen, die alles beleuchtet. Eine Möglichkeit wäre eine Weißabgleichskarte, die man ins Licht hält und mit der Kamera die Messung macht. Eine andere Möglichkeit wäre, einen Filter an der Kamera zu verwenden (z.B. eine ExpoDisc o.ä.), mit diesem in die Lichtquelle zu halten und den Weißabgleich danach zu bestimmen. Oder man nutzt einen externen Belichtungsmesser mit integriertem Farbtemperaturmesser oder oder oder.
Doch auch das hilft letztendlich nur bedingt weiter, denn eigentlich müßte man das primäre Licht und vor allem das dabei resultierende Mischlicht kennen (entsteht durch die unterschiedlich starken und verschieden gearteten Emissionen der einzelnen Objekte, die direkt bestrahlt werden, besonders Schattenpartien sind davon betroffen). Eine Graukarte z.B. misst nur an der Stelle, wo wir uns gerade befinden, aber das sagt nichts über das Licht in den Bereichen aus, die weiter entfernt sind.
Richtig spannend wird es dann ja erst, wenn nicht nur eine Lichtquelle sondern weitere Lichtquellen dazu kommen. Hier kann man dann auch noch zwischen thermisch (Sonne, Glühlampe, Kerze usw.) und nicht thermisch strahlenden Varianten (Leuchtstoffröhren, Gasentladungslampen, LEDs usw.) unterscheiden, letztere machen einen Weißabgleich ganz besonders schwierig, da das abgegebene Lichtspektrum nicht kontinuierlich ist sondern ständig variiert.
Ich kann nur sagen, dass ich beim Auto Weißabgleich sowohl vor Ort in der Kamera als auch nachträglich am PC im Hersteller eigenen RAW Konverter zu annähernd gleichen Ergebnissen komme, die in den meisten Fällen auch gut passen. Bei schwierigen Lichtverhältnissen mache ich zusätzlich ein Selfie mit einer großen Weißabgleichskarte in den Händen, wo ich mich möglichst in der Nähe des Hauptmotivs platziere, (der Selbstauslöser mit 10s macht es möglich) und dann diese Aufnahme als Referenz benutze.
Bei Mischlicht und unterschiedlichen Lichtquellen hilft dann nur ein mehrfacher Weißabgleich im Bild, wo dann Masken mit ins Spiel kommen. Theoretisch könnte man ja auch überall im Motiv Graukarten verteilen und dann alle Bildbereiche entsprechend separat einstellen und und und, vielleicht etwas übertrieben ...
Um ehrlich zu sein: bei nicht wenigen Bildern ist der beste Weißabgleich der, der einem am besten gefällt. Das mag nicht der korrekte Weißabgleich sein, aber dafür sicher der richtige ...
Mit liebem Gruß
Frank