Worauf sollte man achten und was geht gar nicht! Aufgepasst: dieses Thema ist erstmal nur eine Vorbereitung auf einen Artikel, der später mal noch kommt, aber ohne dieses Grundwissen unverständlich wäre, denn bei Heften muss man noch wesentlich mehr beachten.
Viele halten mich wahrscheinlich mittlerweile für einen Choleriker oder so, aber das, was ich hier jede Woche durchmachen muss, berechtigt mich dazu, einer zu sein.
Ich hatte diese Woche mal wieder ein Heft mit 40 Seiten Inhalt plus 4 Seiten Umschalg auf etwas dickerem Papier. Ist also ein relativ dickes Heft mit einem ziemlich starkem Heftrücken.
Das Problem bei diesem Heft ist, wie sollte es anders sein, das Design. Oh, das reimt sich... ist schon fast ein Gedicht....dabei fällt mir ein Spruch ein, den wir auf Arbeit gerne bringen:
Fällt dem Designer nichts mehr ein,
haut er eine Fläche rein,
und ist er dazu auch noch dumm,
macht er einen Rahmen drum.
Sorry, ich schweife ab. Zurück zum Thema:
In dem Heft gab es mehrere unechte Doppelseiten. Also ein Bild geht über zwei Seiten. In der Mitte vom Heft ist das kein Thema, denn dort ist das ja alles auf einem Blatt. Aber an jeder anderen Stelle ist dies gar nicht so einfach, denn nur eine kleine Abweichung und das Bild sieht zerschossen aus. Wenn die unechte Doppelseite nicht in der Mitte ist, heißt das, dass das Bild auf zwei verschiedenen Heftbogen sitzt. Es ist also nicht zusammenhängend. Im schlimmsten Fall steht es nicht mal auf dem selben Druckbogen. Der Drucker muss also hier ganz genau auf die Farbwerte achten. Ansonsten sieht eine Seite zum Beispiel ein wenig röter aus, als die andere Seite vom Bild. Und der Buchbinder muss beim Schneiden genau die Schnittmarken treffen, ansonsten steht die rechte Seite ein wenig tiefer, als die Linke oder umgekehrt. Ich hab mal in Abb.1 gezeigt wie das im schlimmsten Fall aussehen könnte.
⌙ In der Vertikalen sieht man einen leichten Versatz und die Farbe auf der linken Seite ist rotstichig.
Nun haben wir bei uns auf Arbeit eine High-End-Druckmaschine, so dass wir das mit der Farbe meist problemlos hinbekommen und da ich ein vorbildlicher Buchbinder bin, bekomme ich das mit den Schneiden genau hin, sagen wir mal auf einen zehntel Millimeter genau. Jetzt kommen aber noch die unvermeidlichen Toleranzen hinzu. Wenn das Druckbild einen Hauch schief steht - sagen wir mal maximal 2 zehntel Millimeter (alles andere erkennt der geübte Drucker mit bloßem Auge) und dann noch der eine zehntel Millimeter vom Schneiden, macht das insgesamt etwa 0,3 Millimeter Differenz. Geht man nun vom schlimmsten Fall aus, verschieben sich die Toleranzen in genau die gegensätzliche Richtung. Das heißt: die linke Seite steht 0,3 Millimeter höher und die Rechte 0,3 Millimeter tiefer. Das macht einen Versatz von 0,6 Millimeter.
Wir können fast immer garantieren, dass der Versatz nicht größer als 0,5 Millimeter ist. Bei einem Bild sieht man das eigentlich nicht. Bei einer Linie, die sich durch das gesamte Heft zieht, schon. Aber daran stören sich die wenigsten.
Und jetzt kommt das Aber: bei Schrift ist davon wirklich abzuraten!
Der Designer hat es tatsächlich geschafft, von der Innenseite vom Umschlag auf die erste Inhaltsseite eine Schriftzeile rüberlaufen zu lassen. Und zwar in Schriftgröße 12. Hinzu kommt hier der dicke Bund vom Heft, was gerade bei den ersten und den letzten Seiten eines Heftes gravierend ist.
⌙ Hier sieht man, dass der Heftrücken rund ist und am Anfang und am Ende eines Heftes ziemlich viel Papier im Heftrücken verschwindet.
⌙ Das Heft in der Draufsicht mit einem Wort. Erst wenn man den Heftrücken nach rechts drückt und schon fast die Heftklammern zum Bersten bringt, kann man erkennen, was für ein Wort sich dahinter verbirgt.
Das Papier braucht eben Platz, um die Krümmung des Heftrückens zu überwinden und bei so einem dicken Heft sind das schon mal zwei Millimeter, die im Rücken verschwinden. In diesem Fall waren das knapp 2 Buchstaben, die dann eben im Heftrücken verschwanden und die man nur lesen konnte, wenn man das Heft aufs Brutalste hin und her bog.
Aber es kommt noch besser: Der Text, der auf die zweite Seite lief, nahm auf der zweiten Seite gerade mal 1,5 cm ein. Danach war er zuende. Man hätte also diesen Text einfach um sagen wir 2 bis 3 cm nach links rutschen müssen und dieses Problem wäre gelöst. Da dieser Schriftzug insgesamt nur 6 cm in der Breite war, wäre dies doch kein Problem gewesen, bei einem Heft was geschlossen A4 groß ist. Auf dem Umschlag waren noch Veredlungen drauf. Heißfolie und eine Prägung. Ist eigentlich schade drum, aber komischerweise war der Kunde zufrieden.
Und die Moral von der Geschichte:
Augen auf beim Vermessen und den Heftrücken nicht vergessen...
Wenn ihr ein Heft designen müsst, schaut euch die aufeinanderfolgenden Seiten nicht nur einzeln, sondern auch zusammenhängend an. Blättert man ein Heft durch, sieht man schließlich auch immer zwei Seiten. Tut ihr das, seht ihr auch, ob in der Mitte von den beiden Seiten irgendetwas unschön aussehen würde. Wenn es nicht zu 100 Prozent passt, müsst ihr abschätzen, ob ihr die unvermeidlichen Ungenauigkeiten in Kauf nehmen könnt, oder ob ihr das Design ändert. Aber egal was ihr tut, lasst niemals den Text von einer Seite auf die andere laufen... niemals... denkt nicht einmal dran!