Ich verzweifle manchmal angesichts der Unwissenheit, mit der ich mich jede Woche konfrontiert sehe.
Die banalsten Sachen bekommen manche Gestalter einfach nicht auf die Reihe. Eben bei Sachen, wo man sich sagt: ja, das muss eigentlich jeder kapieren, das ist das Mindeste an Wissen, was so ein Mediengestalter mitbringen muss. Aber es gibt Mediengestalter, die anscheinend nicht einmal verstehen, was ein Anschnitt ist und wozu man den braucht.
Ein wirklich simpler Auftrag, zu dem es nicht viel zu zu sagen gibt. Ein ganz normaler Handzettel. Ein paar Bilder, und ein Blocktext darauf. Standardmaß 10,5 cm x 21 cm. Ein leicht gemusterter Hintergrund und ein paar Bilder, die am Rand stehen und somit angeschnitten werden. Wie gesagt, total simpel. Hier geht es um einen Fehler, den ich nur erraten kann. Der Blocktest hatte nach links und nach rechts ca. 1 mm Platz bis zum Rand... EINEN MILLIMETER!!! Und das bei Schriftgröße 18. Dies sieht so unendlich scheiße aus, dass ich keinen Mediengestalter zutrauen würde, so etwas mit Absicht so zu setzen. Also wieso steht dies dann nur 1 mm vom Rand weg? Wegen dem Anschnitt. Dieser ist wichtig, ganz klar. Man legt eine Datei umlaufend ca. 2 mm größer an, denn wenn etwas in dieser Druckdatei - sagen wir ein Bild - bis zum Rand gehen soll, dann müssen wir das Ganze anschneiden. Also etwas von dem Bild wegschneiden. Andernfalls müssten wir beim Schneiden genau die Kante vom Bild treffen. Wenn wir etwas zu wenig abschneiden, dann gibt es an dem Bild einen kleinen weißen Rand. Schneiden wir zu viel ab, ist der Effekt der selbe, nur eben auf der gegenüberliegenden Seite des Druckproduktes. Anschnitte sind also essentiell und immer anzulegen, wenn ein Bild oder eine Fläche im Hintergrund bis an den Rand geht.
Aber zurück zu unserem hochtalentierten Designer, der diesen Handzettel verbrochen hat. Meine Vermutung: Er wusste, dass er einen Anschnitt braucht, weil wir so etwas unseren Kunden mitteilen, sollten sie vergessen haben, einen anzulegen. Was er wahrscheinlich nicht wusste: wozu er da ist. Denn er hat sich bestimmt gedacht: „Meine Datei soll 10,5 cm x 21 cm sein, also brauche ich ringsum 2 Millimeter mehr“ und hat seine Datei deshalb wie folgt angelegt: 10,9 cm mal 21,4 cm. Toll, denkt sich der Designer, weil er schlau genug war, um an diesen dubiosen Anschnitt zu denken, ohne genau zu wissen, wozu er da ist und fängt an den Flyer zu gestalten und setzt die Blockschrift in dieser Datei so ca. 3 mm vom Rand weg... und denkt sich: „ja, das sieht gut so aus, so lasse ich das“. Was aber unser hochintelligenter Designer nicht bedacht hat, der Anschnitt, den er angelegt hat, ist zum Abschneiden da. Deshalb bleibt nur noch 1 mm übrig. Applaus...
Diesmal kann ich keine Moral von der Geschichte schreiben... dieses banale Thema "Anschnitt" bietet einfach keine Grundlage dazu, denn so etwas gehört zu den „Basic's“... boar ich fühl mich total hip, wenn ich sowas schreibe,.... „Basic's“ …
Nee Moment, ich hab doch eine Moral für euch: „Checkt mal die Basic's, damit der Buchbinder etwas chillen kann!“ ...Ich bin so cool...
Aber damit ihr hier auch was lernen könnt und ich euch nicht nur damit vollpöpel, was die Welt der Designer verkehrt macht, übernimmt nun meine Frau und zeigt euch wie das mit so einem Anschnitt auszusehen hat und wie dieser in InDesign angelegt wird.
⌙ Abbildung 1
In InDesign sieht ein Dokument so aus, wie in dieser Abbildung (Bild- und Textblöcke dienen hier nur der Veranschaulichung - das zeigt InDesign natürlich nicht so an), wenn man den Anschnitt eingestellt hat. Ob dies jedes Programm so einfach wie hier darstellt, weiß ich gar nicht. Designer, die solche Sachen in Photoshop machen, müssen die umlaufenden 2 mm schon beim Anlegen des Dokuments dazurechnen. Und klar, dann passiert sicherlich schnell das, was unserem Kunden hier passierte. Man vergisst bei der Arbeit, dass man sich den Anschnitt noch denken muss und setzt einfach alles so, dass es schön aussieht. Das ist aber ein großer Fehler, denn sobald die 2 mm weggeschnitten wurden, merkt man, dass es blöd aussieht.
⌙ Abbildung 2
InDesign hingegen bietet es idiotensicher an. Schon beim Anlegen des Dokuments kann man zuerst das Endformat einstellen und drunter, bei den Anschnittseinstellungen, die 2 mm an jeder Seite (siehe Abbildung 2). In InDesign sieht man dann auch im Dokument, wo das Blatt aufhört und kann sich das Design so natürlich wesentlich besser vorstellen. Bei Programmen die diese Option nicht bieten, empfehle ich, wenigstens Hilfslinien 2 mm weg vom Rand aufzuziehen, so dass man nicht vergisst, Schrift und Bilder nicht zu weit bis zum Rand ran zu klatschen.