Eine zufällige Begegnung, ein Satz in einem Buch, ein gelber, über die Straße hüpfender Ball … Aus dem Zugfenster schauen und plötzlich einen einsamen Gartenstuhl in ungewöhnlicher Umgebung erblicken, in einer Bibliothek eine Person beobachten, wie sie an den Seiten eines Buches riecht – oder einfach nur der Anblick eines Lasters …
Woher kommt das, was wir als „Idee“ bezeichnen? Und gibt es die sogenannte „Inspiration“ tatsächlich?
Regisseur Andrew Norton lässt in seinem Film verschiedene Menschen genau darüber (in Englisch) sprechen und stellt dabei verschiedenste Meinungen gegeneinander:
David Lynch bekommt seine Ideen in Fragmenten geliefert. Es sei, meint der Filmemacher, als wäre in einem anderen Raum ein zusammengesetztes Puzzle, doch in dem Raum, in dem er sich aufhält, komme immer nur ein Puzzleteil nach dem anderen an.
Vielleicht, so führt ein siebenjähriges Mädchen zu Beginn des Clips aus, entspringen Ideen einem bestimmten Punkt im Gehirn. Später meint Ursula, zwölf Jahre jung, mit einer Idee sei ein Gefühl verbunden, das man „Inspiration“ nennt.
Dem setzt ein Herr namens Robert Krulwich direkt entgegen, er glaube nicht, dass Inspiration der Ausgangspunkt einer Idee sei – er jedenfalls habe eine solche Erfahrung noch nie gemacht, und jenen, die meinen, sie hätten einen solchen Moment der Inspiration bereits gehabt, könne er nicht so recht glauben. Was ihn antreibt, fühle sich eher wie ein Jucken an, das ihn denken und denken und denken ließe, bis er es – also die Idee – habe. Inspiration aber könne er in diesem Vorgang nicht vorfinden.
Auch für Chuck Close ist Inspiration nicht unbedingt der Ideengeber. Sitze man herum und warte man auf den entscheidenden Funken, würde man wahrscheinlich nie eine großartige Idee haben. Stattdessen käme jede großartige Idee nur durch eins zustande: durch Arbeit.
Tracy Clayton stellt sich ihr Gehirn als eine chaotische Landschaft vor, in der zufällige Dinge verstreut in der Gegend herumliegen. Diese könne sie zum Beispiel mit dem Mittel des Brainstormings in eine gewisse Ordnung bringen, um den Raum so vorzubereiten, damit die Idee hereintritt. Jedoch – bis sich die Idee zeigen möchte, kann sie selbst nicht viel mehr tun als Abwarten – womit sie in gewisser Weise wiederum Chuck Close widerspricht, der nicht an einen Funken bzw. eine plötzlich hereintretende Idee glaubt.
Ray Barbee, ein Skateboarder, spricht einen ganz anderen Aspekt an, nämlich den des Nachmachens, des Imitierens, des Kopierens. Alles, was ihn jemals antrieb, hat er getan, weil er es bei anderen gesehen hat. So verhalte es sich seiner Meinung nach auch mit den meisten Leuten. Sie versuchten, andere zu nachzuahmen, doch weil sie nicht die Fähigkeit hätten, das Beobachtete präzise nachzumachen, entstünde daraus etwas Neues, etwas Eigenes. Das Schöne daran, so führt er aus: Aus diesem Prozess des Kopierens könne Originalität entstehen – quasi durch Kopierfehler.
Lulu Miller wird ziemlich direkt: Inspiration sei ein Schlag gegen das Gehirn, ins Gesicht, in den Bauch ... ein Erwachen. Im ideengebenden Moment begreife man plötzlich, dass die Welt mehr ist als das, was ein „dummes, kleines Gehirn“ sich bis dahin vorstellen konnte.
Nach dem Abschluss einer Geschichte geht Autorin Susan Orlean stets durch eine Zeit, in der sie glaubt, nie wieder eine Idee zu haben. Diesen Zustand vergleicht sie mit dem Bruch einer Beziehung, nach dem man gleichfalls glaube, man würde sich wohl nie wieder verlieben. Doch dann … eines Tages begegnet man einem Etwas, das einen ansieht und sagt: „Ich bin es.“
Dies waren nun in etwa die ausgesprochenen Gedankengänge der im Video zu hörenden Personen ... Gibt es ihn nun? Den Moment der Inspiration? Oder ist wirklich jede grandiose Idee stets nur ein Produkt harter Arbeit? – Vielleicht liegt die Wahrheit, wenn es sie denn gibt, wieder einmal irgendwo dazwischen … Aber das ist nur so eine Idee.
Euer Jens
Bildquelle Vorschau und Titel: Screenshot aus dem Video "Where Do Ideas Come From" von Andrew Norton