Ich hatte es ja angedroht ?
Um 21.00 angefangen zu tippen. Warum erst jetzt? Weil ich was mit Medien mache! Um 19.30 Uhr war ich daheim, erstmal was gekocht, gegessen, die Post gelesen etc. Dann festgestellt, du schreibst kein Buch, aber der Kollege will ja wissen, wie so ein Gestalterleben aussehen und sich entwickeln könnte* ?
Früh-/Vorgeschichte:
Abi. Die einzige Eins in Kunst. Mach was draus. Lehrer? Grafiker kennengelernt, toll was der so macht. Also Grafik. Mappe an Hochschule, angenommen aber studieren wegen ZVS nicht dort, sondern woanders. Dort aber: mindestens 3 Monate Praktikum vor Beginn! Und Beginn dort erst wieder nächstes Wintersemester, also Praktikum gesucht, Druckerei und Setzerei, klassisch die Bleibuchstaben aus dem Setzkasten in den Winkelhagen, das Ganze auf das Schiff und dann, wenn das Ausbinden hielt, in die Druckmaschine (Medium Nr.1!). Und abends noch die Offsetmaschine putzen. Jemand kennengelernt der ganz woanders studiert hatte, erfahren die fangen auch zum Sommer an, neue Mappe, dort noch eine Aufnahmeprüfung und los ging es.
Gestaltung/Kreation:
Ich find die Sachen teilweise heute noch gelungen. ;-)
Verpasste Chancen:
Bei zwei der damals renommiertesten Schulen zu studieren.
Studium/weitere Medien:
Studienschwerpunkte nach dem Grundstudium (Formen, Zeichnen, Farben, Techniken etc.) Fotografie (Medium Nr.2!) und Buchgestaltung (Medium Nr.3!). Nebenher erste Jobs für Verlage und als Freier für das Fernsehen (Medium Nr.4!). Gründung eines Verlags für experimentelle Bücher (Medium Nr.5!) mit Studienkollegen, Start erster kostenloser Stadtmagazine (Medium Nr.6!). Hohes Maß an Selbstausbeutung. Studium eigentlich nur noch nebenher. Dann auch noch verlieben (Ich liebe die Frau übrigens heute noch und bin immer noch mit ihr verheiratet! Sic!), Kind kriegen und heiraten. Irgendwann die Überlegung, Studium wieder als Schwerpunkt oder endlich mal was für die vielen Arbeitsstunden rausholen? Diplomarbeit bei einem der renommiertesten Buchgestalter des Landes gemacht aber dann Studium abgebrochen.
Gestaltung/Kreation:
Berge von Zeichnungen, Proben, Collagen, Fotos (Wo sind die eigentlich?), Papier ohne Ende.
Verpasste Chancen:
wegen zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenem Studium (hätte ja längst fertig sein können!) keine Vermittlung für die Nachfolge eines gesuchten Gestalters für die Wochenbeilage einer großen deutschen Tageszeitung und wg. kurz vorherstehender Geburt meines Sohnes kein Umzug ins Ausland um ein damals respektables ?Zeitgeistmagazin? weiter zu gestalten.
Start ins ernste Berufsleben:
Gestalten und Kohle verdienen? Werbung! Also erstmal Bewerbung. Und Zack, die erste Agentur nimmt einen und nicht die kleine Klitsche an der Ecke. Super, tolle Anzeigenkampagnen, Reisen zu Fotoshootings im Ausland ?
Ach nee, eigentlich haben die einen gesucht der Zeitschriften und Magazine kann ? O.K. die Gestaltung einer monatlich erscheinenden Frauenzeitschrift, die eine höhere Auflage wie Brigitte, Freundin und Petra zusammen hat, auch wenn es ein paar Seiten weniger sind, ist ja nicht schlecht. Daneben noch Gestaltung für Anzeigenkampagnen, Folder für bestehende Kunden und die Komplettbetreuung einer Fluggesellschaft. Fotoshootings nicht im Ausland, nicht die Doppelseiten im Stern oder Spiegel (Ein paar waren doch dabei!) aber immerhin ? und die Kohle stimmt!
Gestaltung/Kreation:
Jeden Tag Bilder/Typo entwerfen, scribbeln, samplen (Clippen hieß das) auch mal ne Reinzeichnung (Druckvorlage zusammenkleben, Transparentpapier drüber kleben und mit Anmerkungen für Litho und Druckerei bekrizzeln) fertigmachen, wenn der Reinzeichner keine Zeit hatte.
Verpasste Chancen:
Stunden des Nachschlafes, Erholung an Wochenenden, ?Könntest du nicht Deinen Urlaub um ein paar Tage verschieben??, die ersten 2 Jahre meiner ersten Tochter beim Aufwachsen zuzusehen.
Weiter im Job:
Früher? gab es noch ?Headhunter?. Wenn man dann einigermaßen gut und bekannt war, rief immer Herr Schwarz privat an. ?Mein Name ist natürlich nicht Schwarz sondern Dr. Blau, aber könnten Sie sich vorstellen, für weitaus bessere Konditionen bei der Agentur ?Sonnenschein? zu arbeiten? Da haben Sie dann auch jedes Wochenende frei und pünktlich Feierabend. Sicher, es gibt Ausnahmen aber Sie wissen ja ?!? Und irgendwann, nach dem 3ten Anruf hatte Herr Dr. Blau mich im Zusammenspiel etlichen anderen Faktoren soweit. Ich wollte nicht noch zwei Jahre die doofe Frauenzeitschrift machen, der Name der Agentur klang zu gut. Das Gespräch dort lief vielversprechend, endlich gestalten, entwerfen, jeden Tag was Neues ?
So, und jetzt muss ich in die Kiste weil ich morgen früh um 8.30 Uhr ne Messe vorbereiten muss ?
(Wenn es weiter interessiert, sag Bescheid, ansonsten ?) Ach, über die Stunden der spannenden Diskussionen mit Druckern, Illustratoren, Fotografen, Stylisten, Innen- und Außenarchitekten und, und stand auch noch nix drin. Und es war noch kein Computer bzw. Programm im Spiel.
Gute Nacht aus der Gutenbergstadt Mainz
Micha
*Es handelt sich hier um ein gestalterisches Einzelerlebnis, das keinesfalls repräsentativ ist!