Ja, das haben die Marktingleute wirklich gut hingekriegt. Dazu ein paar objektive Fakten, die natürlich die Thematik nicht vollständig abdecken, doch einige Vorstellungen zurechtrücken mögen:
Seit 2005 habe ich mit der EOS 5D begonnen. Vorher gab es fast keine Vollformatsensoren. Nur Kodak baute in ein Canon- und ein Nikonmodell einen Vollformatsensor ein. So eine habe ich damals testen können, das war 2003. Dann hörte ich, dass ein Profifotograf seine Nikon-Variante verkaufen würde. Die hätte ich auch gekauft, hätte er sich nicht zu lange Zeit gelassen. Als er dann zum Verkauf bereits war, war schon die 5D angekündigt. (Die EOS-1D war preislich unerschwinglich, Nikon baute erst viele Jahre später eine Digitalkamera mit Vollformatsensor). So blieb mir glücklicherweise Nikon erspart, denn weder bezüglich Kameratechnik noch Qualität der Objektive konnte Nikon im Digitalbereich mit Canon mithalten.
Seither gab es viele 5D-Modelle, und jede wurde in Bezug auf Bild=Sensorqualität drastisch besser. Das galt auch für den Autofokus.
Sony gab dann vor etwa 7 oder 8 Jahren das A-Bajonett und damit die DSLR auf und brachte eine EVIL mit dem E-Bajonett. Das war was ganz neues, und damit Kraftfutter für Journalisten.
Der Vorteil einer spiegellosen liegt in, wie die Genrationen der Sony A7-Reihe beweisen, minimal kleineren Abmessungen des Gehäuses, erkauft durch schlechtere Handhabung. Wenn Du das Gehäuse einer A7R mit dem der A7RIV vergleichst wirst Du sehen, dass die Kamera um einiges dicker geworden ist. Außerdem sind die Finger von EVIL-Fotografen nicht geschrumpft, also war es unvermeidlich, den Griffwulst deutlich zu vergrößern. Soviel zur geringeren Größe.
Objektive für spiegellose Kameras sind minimal kürzer, doch benötigen sie praktisch gleiche Durchmesser und bei gleicher optischen Qualität genau so viele und schwere Gläser. Gesamtgewicht beider Systeme praktisch identisch.
Allerdings haben spiegellose Kameras einen für mich gravierenderen Nachteil. Der Schwerpunkt des Systems ist weiter in die Optik gerutscht. Das ist einerseits beim Fotografieren aus der freien Hand nachteilig, andererseits auch bei der Montage auf einem Stativ. Optimal wäre ein Gleichgewicht zwischen vorne und hinten, wie es beispielsweise durch das Einrichten des System auf einem Gimbal erreicht wird. Es ist praktisch kaum möglich, ohne die geringste Verwacklung zu fotografieren. Man muss deshalb versuchen, die Verwacklungszeiten so klein zu halten, dass sie in der Belichtungsdauer der Pixelpunkte nicht wirklich stören. Wenn man also 30 Sekunden belichtet, spielen Ein- bzw. Ausschwingzeiten von einer knappen Sekunden keine Rolle. Belichtet man jedoch nur ein ein paar Sekunden, machen sie gleich 30% oder 40 % der gesamten Zeit aus. Bei DSLRs kann man den Spiegel vor der Aufnahme hochklappen, doch bei beiden Systemen hat man den Verschluss. Auf die Nachteile des elektronischen Verschlusses will ich nicht eingehen. Tatsache ist, dass eine am Schwerpunkt des Systems befestigte Kamera die geringste Schwingungen hat. Hat man ein Objektiv ohne Schelle, was meist der Fall ist, hat eine DSLR zwei Vorteile gegenüber einer EVIL. Sie hat eine größere Bodenfläche und damit eine größere Auflagefläche und damit einen deutlich solideren Kontakt zum Stativ, und der Schwerpunkt des Systems ist etwas schwingungsärmer.
Vorsichtig und bedacht muss man jedenfalls sein.
Man liest immer wieder mal, dass die Nähe der Optik, eben ohne Spiegelkasten, zum Sensor Vorteile bringt. Nur stellt sich mir die Frage, was bei all der Software, die für unzählige Korrekturen des Sensorbilds schon in der Kamera, später dann in diversen Rawkonvertren verwendet wird, das ausmachen soll.
Für manche ist die Tatsache, dass EVILs "halbe" Videokameras sind, ein Argument. Jedenfalls überbieten sich die Hersteller und deren Marketingleute mit diesen Argumenten. Tatsache ist, dass sie viele, auch hochauflösende Formate für Videos anbieten. Das ist dann eine individuelle Entscheidung, doch gehören zum professionellen Filmen einige Bereiche, die eine Hybridkamera eher notdürftig erfüllt.
Doch das ist ja alles nicht so neu, umgekehrt hat Tim Burton 2005 einen Stop-Motion Film, nämlich
"Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche" mit einer DSLR fotografiert.
Vermutlich geht die Entwicklung, da DSLRs jetzt das Mäntelchen altmodisch umgehängt wurde, mit EVILs weiter. Canon hat im Vorjahr, im übliche Zyklus, für Pressefotografen ein neues 1DX-Modell, natürlich als DSLR, gebracht. Diese Modelle sind einerseits extrem robust, andererseits ist deren Akkukapazität wirklich ernstzunehmen. Mit der Akkuladung einer 1DX kann man in etwa 5000 bis 6000 Fotos machen, das sind sicherlich 2 Fußballspiele. Einer EVIL geht nach ein paar hundert Fotos die Luft aus. Das, was man an Kameragewicht spart, schleppt man an Ersatzakkus mit herum. Man kriegt eben nichts im Leben geschenkt.
Und Canon hat sich bei den Agenturen umgehört, die sind mit den 20 MPixel für ihre Zwecke zufrieden. Da kann Sony mit der A9 in keiner Beziehung mithalten. Und ich weiß, wovon ich da schreibe, denn ich habe mir aus Neugier auch mal eine A9 gekauft.