AW: Wann macht RAW Sinn?
@pepexx
Nun ist „professionelle Fotografie“ ein äußerst dehnbarer Bereich, der sich mitnichten über den groben Kamm scheren lässt und: der eben auch Dokumentations- und Reportagefotografie beinhaltet. Da wird man sicherlich hier und da in RAW fotografieren, aber eher wegen der höheren Auflösungsmöglichkeiten im Print, weil man im Kopf hat später mal in irgendein Annual-Buch zu kommen mit seinem Foto – jedoch nicht, um nachträglich an dem Foto „rumzudaddeln“. Wenn Du das in dem Bereich machst, bist Du nämlich ratzfatz weg vom Fenster als Reportagefotograf.
Aber wie ich bereits schrieb, von Dir vielleicht überlesen wurde: „das soll nicht heißen, dass RAW-Aufnahmen generell nicht sinnvoll sind.“ Selbstverständlich arbeitet der Werbefotograf mit ‘ner Hasselblad mit RAW-Dateien – zu Recht. Seine Arbeiten müssen ja ggf. auch Hochhauswände verkleiden. Indes, der professionelle (!) Reportagefotograf im Printbereich arbeitet heute schon wieder deutlich seltener noch in RAW. Warum? Alleine, weil's hier nur noch um Tempo geht. Mitnichten noch um Qualität. Von diesen Fotografen hört man gar nicht erst Sätze wie „ich fotografiere in RAW, damit ich hinterher den Weißabgleich bla bla …“ Dieser Fotograf weiß selbstverständlich, wie er ein Foto richtig belichtet unter ungünstigen Bedingungen, der beherrscht sein Handwerk völlig! Die fotografieren und schicken im übrigen ihre Dateien direkt an die Redaktionen, weil sie wissen, dass ihre Fotos top belichtet sind, die gucken sich die Fotos außer am Kamerascreen überhaupt nicht mehr an, weil sie schon längst unterwegs zum nächsten Event sind. Der erste Shoot der in der (Tageszeitungsredaktion aka im Stock ist) wird gedruckt. Schluss. Wer da erst nach Hause fährt und bearbeitet, hat verloren im Kampf um den Verkauf! Und diese Fotografen wissen auch, dass die Redaktionen immer weniger Fotodesigner und Lektoren beschäftigen und sich um echte Bildqualität eh kaum noch scheren (sieht man aktuell sehr deutlich im YellowPress-Bereich, alternativ gucke man sich die Spon-Aufmacherfotos in der letzten Zeit an, die werden nicht mal mehr Tonwert korrigiert, so dermaßen wird dort gehamstert). Außerdem weiß der Fotograf, dass sein Foto in der Presse eh nur im Miniaturformat gebracht wird. Da kostet RAW-Archivierung und Bearbeitung dem Profi nämlich sein Geld und seine Zeit, wofür ihm seine Auftraggeber nicht mehr genügend bezahlen! Purer Pragmatismus, der hier zum Einsatz kommt. Also JPEG. ,-(
RAW ist ein primärer Standard des Hersteller-Marketings. Eine fremdgesteuerte Religion mit der sich extrem gut Geld machen lässt bei Laien, die aber deutlich weniger tatsächlich Gebrauch finden müsste, als Hersteller es uns glauben machen wollen. Aber es ist und bleibt selbstverständlich die freie Entscheidung des Anwenders. RAW-Bearbeitung kann und soll Spaß machen. HDRI gäbe es nicht ohne RAWs, wie gesagt, es hat hier und da seine völlige Berechtigung. Ob nun der Foto-Laie dem Glauben kritiklos verfallen muss, da wage ich meine Bedenken anzumelden!
Insofern: wenn jemand daher kommt und sagt, „ich fotografiere in RAW da bin ich auf der sicheren Seite wegen dem Weißabgleich … “ dann ist das allenfalls ein Signal für Technikgeilheit (legitim) und gleichzeitig Nichtvertrauen in das eigene fotografische Können (absolut nicht legitim, dann bitteschön lernen es gleich besser zu machen und nicht lernen, es hinterher zu verbessern). Den Weißabgleich regelt man mit etwas Ahnung schon im Akt der eigentlichen Aufnahme perfekt oder? Ich meine, das geht. Die Technik ermöglicht uns das problemlos! Wir müssen nur einen kurzen Moment vorher sehen und denken … mehr ist das nicht!
[just my 2 €-Cents!]
Aber mal 'ne andere Frage (über die man ruhig nachdenken sollte), warum offerieren Kamerahersteller mittlerweile die Möglichkeit RAWs und JPGs gleichzeitig zu sichern oder RAWs an der Kamera als JPG umzuwandeln? Letzteres ist ja nach RAW-Religion absolute Blasphemie! Weil wir ohne RAWs nicht mehr über die Straße gehen können oder … weil der Trend vielleicht schon wieder in die andere Richtung geht? Ich kenne eh nicht so sehr viele Leute, die sich von ihren Fotos professionelle Ausbelichtungen von 3x4 m für 400 Euronen machen lassen … ;-)